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( 0 ) Ein seltner Gevatterftreich. Der wohlhabende Bäcker Reinhold in einem Landstädtchen hatte bei seinem wer- then Mitbürger, Herrn Friedrich Ge vatter gestanden. Im großen Taufsteins- Kostüm, den Blumenstrauß noch vor der Brust, kam er jetzt nach Hause, um seine Ehehälfte, als sogenannte Frcßgevatterin, zum Kindtaufschmause abzuholen. Nach dem er für heute, wegen Abwesenheit der Verkäufer, seinen Laden zugemacht, und sorgfältig nachgesehen hatte, ob sein Geld schrank, in welchem mehrere Lösung für verkauftes Mastvieh, in Rollen gepackt, gleich Semmelzeilen lag, auch wohl ver schlossen wäre, gebot er der Magd, Alles im Hause gut in Obacht zu nehmen, und schritt mit seiner geputzten Lebensgefährtin über die Schwelle. In diesem Augen blicke kam Meister Berthold, der Flei scher aus W. .., ein solider Handelskun de, mit seinem riesigen Packan auf das Haus zugegangen. „Ach, das thut mir doch leid, Meister Berthold — sagte Reinholdt — Ihr wollt Schweine ha ben, und ich bin bei Herrn Friedrich zur Kindtaufr." „Wie lange kann denn das währen?" fragte Berthold. Nu, ein paar Stündchen könnten Wohl hingehen. Hm ! das macht mir eben nichts aus. Wenn Ihr nicht denkt, daß ich Euch etwas einstecke, so will ich der weilen ein Pfeifchen bei Euch rauchen. „Auch gut, Ihr könnt Euch indessen meine Fettwänste ansehen. — Rosine! weise Meister Verrholden die Schweine, und gieb ihm was fürs Maul!" So war der kleine Aufenthalt glück lich^ über die Seite geschafft, und das Relnhold sche Ehepaar erschien bei ei nem Kindtaufschmause, dergl. es in der Stadt lange nicht gegeben hatte. Zwar litt Herr Friedrich der Kindtaufsvater, eben an heftigen Kopf- und Augenschmer zen, ging nur ab und zu, und zog sich endlich, als der Tag einbrach, ganz zu rück, weil seine Augen die Lichter nicht vertragen konnten; aber er stellte seinen Mann in einem anwesenden HerrnVetter, der die Gevattern, sammt Pfarrherrn und Küster, auf daS reichlichste mit Ku chen und Kaffee versorgte, nach dem Caffee den Männern eine Partie Solo zurecht machte, den Weibern von seinen Reisen erzählte, und endlich die ganze Gesellschaft an einer wohlbesetzten Abendtafel verei nigte. Meister Reinhold war ganz in seinem Esse, und hatte den Fleischer zu- sammt den Schweinen total vergessen. Meister Berthold hatte mittlerweile seine Musterung gehalten, Butterbrod, Schnaps und Vier sich wohl schmecken lassen, und hierauf im Reinholds Sor- genstuhle Platz genommen, wo er sein Pfeifchen rauchte. Die Zeit fing zwar nach und nach an ihm lang zu währen, da er aber einmal keinen Fleischergang gemacht haben wollte, und überdieß ein Paar von den Mastschweinen ihm ganz außerordentlich Wohlgefallen hatten; so beschloß er, die Heimkehr des Bäckers ab zuwarten, und schlummerte endlich vor Langeweile ein, wie der getreue Packan schon längst zu seinen Füßen gethan hatte. Als ihn nach Verlauf einiger Stunden sein eignes Schnarchen wieder aufweckte, war es bereits dunkel um ihn her, und er