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( 0 ) Gast m a h l. Das Ein angesehener und reicher Kaufmann in Hamburg hatte eine Gesellschaft von unge» fähr 30 Personen zu einem Mittagsmahle ge laden. Die Gattin desselben wollte ihre Gäste auch mit Forellen bewirthen, ste konnte aber das Stück nicht wohlfeiler als für einen Du- caten erhalten, und daher fragte sie ihren Mann, ob sie einen so großen Aufwand ma chen solle oder nicht? Der vernünftige Mann gab ihr zum Bescheid: „Es ist wahr, wir könnten, ohne uns eben wehe zu thun, diese Verschwendung begehen; aber sie scheint mir dessen ungeachtet sündlich zu seyn, die Forellen mögen also wegbl ibcn, und die Summe, die dazu erfordert würde, will ich aufeine nützli chere Weise anwenden." An dem Tage, da das Gastmahl gegeben wurde, legse der Kaufmann in die Schüssel, worein die Forellen gelegt worden wären, 30 Ducaten, und ließ solche ebenso, als wenn Zische darin lägen und warm gehalten werden sollten, mit einer Serviette bedecken und auf die Tafel setzen. Als die Speiserangordnung an die Fische kam, sprach der kluge und men schenfreundliche Wirth zu seinen Gästen unge fähr folgende Worte: „Wertheste Gäste! Meine Frau wollte Ihnen zwar Forellen vor setzen, aber für die 30 Stück, welche erforder lich gewesen wären, sollten 30 Ducaten be zahlt werden. Dieser Aufwand nun schien mir sündlich zu seyn. Damit es aber nicht das An sehn gewinne, als ob nur der Geiz diesen Ge- wissenösccupel veranlaßt habe, so sind hier die 30 Ducaten in dieser Schüssel. Und ichbitte, daß Jeder meiner werthesten Gäste sich gefal len lasse, Einen davon zu nehmen und ihn einem bekannten würdigen Armen zu geben." „Und damit," enviederte einer der Gäste, „noch mehrere Arme erquickt werden können, so mag Jeder von uns den Ducaten, den er vielleicht auch für eine Forelle ausgegeben hätte, dazu legen." Verschiedene Gesinnungen und Empfindungen einiger Menschenracen. Obgleich den Menschen aller Nationen ei nige bestimmte Grundsätze eingepflanjt zu seyn scheinen, die ihre Urtheile und Empfindungen leiten, so finden sich docss merkwürdige Unter, schiede in der Denkungsart und Empfindungs- weise, welche die verschiedenen Menschengattun- aen ebenso charakterisiren, als ihre äußerliche Bildung eine von der andern auffallend un terscheidet. Die alten Thracicr pder die neuen Dalmazier, welche bei der Geburt ihrer Kinder weinen und bei dem Tode ihrer Freunde sich freuen, scheinen die allgemeinen Gefühle der Natur umgekehrt zu haben. Und doch verhält es sich nach bewährten Zeugnissen wirklich so. Nicht minder wahr ist es, daß die wilden Giagas ihre meisten Kinder sobald sie zur Welt gekommen sind, zu begraben, und anstatt dieser zarten Schlachtofec diegefange« neu Kinder ihrer Feinde aufzuerziehen pflegen. Die amerkanischenWilden geben ihre bejahrten Ellern einem elenden Schicksale preis; sie schicken sie in entlegene oder einsame Gegenden und lassen sie da umkommen. Es giebt sogar Manche, welche das Fleisch ihrer Eltern verzehren und es für ein Zeichen von Hochachtung ansehen, die Urheber ihres Da« fiyns in ihren eigenen Leibern zu begraben. Die Iapanescr sind ein ganz außerordentliches Volk: Eine Beleidigung rachen sie unwiderruflich ober sie fügen sich selbst eine zu. Sind sie sehr empfindlich beleidigt, so reißen sie auf der Stelle sich ihren eignen Körper auf, und wenn sie sich auch lächerlich machen sollten, so ziehen sie doch der Schande den Tod vor. In Angst und Noch beten sie nie zu Gott; denn sie meinen, die Gebete der Unglückli chen würden die Ruhe der Götter stören. Aber in glücklichen Umstanden erheben sie ihre Stimme voll Anbetung und Dankbarkeit zudem höchsten Wesen.