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und Liebhaber schöner Aussichten. Der gemeine Mann aber betrachtet diese von der Hand der schaffenden Natur in so erhabner Größe aufgethürmte Fel senburg als eine Schöpfung mächtiger Erdgeister, deren Thaten noch bis jetzt die aus grauer dunkler Vorzeit entspriu. gende Sage bewahrt. Ja, auch Grei fensteins Felsen hatten ihren mächtigen Schutzgeist, der, gleich dem Rübezahl des schlesischen Gebirges, gleich Schei benbergs wohltätigen Zwergleins, wohlthätlg und mächtig den verlaßncn Armen schützte, indeß er Stolz und Uebermuth, Vermessenheit und Trug mit Strenge strafte. Wie Rübezahl, erschien er in den verschiedensten Gestal ten, und nur dann, wenn sie vollbracht war, die edle That, wenn hochklopfend das Herz der glücklichen Geretteten ihm danken wollte, dann verschwand er wie der im belohnenden Bewußtseyn, das Gute vollbracht zu haben, Vor langen Zeiten lebte kn den äu ßersten VergfreiheitS - Häusern von Geyer, ein armer Schuhflicker, Hanns benannt. Corde, sein Weib,, hatte ihn bereits zum Vater von sieben mun tern Knaben gemacht, und er hatte sich mit ihr standesgemäß ernährt, d. h, er drehete am Tage Stricks und flickte umö Brod am Abend Schuh— sein Weib ging ins Holz (damals war noch kein Forstschütz, aber große hochbesian- dene Forsten) oder im Sommer Ach. renlesen und, so weit es ihre Kinder er laubten, um'S Brod tagelöhnern. Die größern Knaben sangen vor den Thüren der Landleute, die kleinen trug die Mutter mit sich im Korbe her um. Ihre Hausfreundin und Ernäh rerin war — eine Ziege, die sie über all begleitete und dann des Abends das volle Euter zum Vesten gab. So wußten sie nicht, daß sie arm waren, denn für ihre Bedürfnisse war gesorgt; sie waren zufrieden, gesund, da ßealle Morgen beteten, Niemanden etwas zu Leide thaten, sich treu liebten, nach keinem fremden Gut lüsieken (Holz hielt man damals für Gemeingut) — nach ihrer Art fromm und glücklich. Jetzt kamen die Stunden der Prüfung, die den ,Palästen nahen wie den Hütten. Nach mißrathencr Ernte und einem traurigen Herbst erschien ein Harrer, furchtbarer Winter, und schrecklicher, kälter als je, schloß das unglücksvclle Jahr den letzten seiner Tage, Der heilige Silvester zürnte, und in seinem Gefolge ging der Frost und der Hun ger. — Wie wird es unserm armen Hanns ergehen? Der Schnee hatte das Dach seiner Hütte erdrückt, den dabei erbauten Stall umgeworfcn und unter feinem Schutte die arme Ziege begraben. Kein Brod war im Hause, Geld hatten sie nie, die Arbeit fehlte, ein fallender Baum hakte dem Vater Hanns das Vein verletzt und Mutter Corde sah ihrer Entbindung stündlich entge gen. Diese deuchte ihr schwerer zu wer den, als sie jemals gewesen. Gelernte junge Hebammen gab es zu dieser Zeit noch nicht. Erfahrne Mütter verrich-