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— 0 Deütschkands Länder, wie eilig um dieselbe Zeit fast überall die alte Verfassung ver» ändert ward! Durch den Tilsiter Frie densschluß wurde Sachsens König veran laßt, die Würde eines Herzogs von War- schau anzunehmen. Die ihm nach der pol. nischcn Constitution zufallenden Kron.Ein künfte von drei und einer halben Million Thaler wurden von ihm, dem Großmüthi- gen, zur Deckung der dringendsten Forde- rungen verwendet, welche Frankreich an dieß im höchsten Grade verschuldete Land wachte. Der Krieg Napoleons mit Oesterreich 1809, mit Rußland 1812, rirß die von 1806 her kaum etwas vernarbten Wunden in noch schrecklicherer Art auf. Torgau mußte mit einem Aufwande von Millionen -u einer Festung gewandelt werden; indem zugleich Leipzigs Kaufleute ihre mit 2Mil- kioncn 1806 eingelösten englischen Maaren verbrennen sahen und ein Jmpost von 50 Prozent auf alle Colonialwaarcn, mithin auch auf alle westindische Baumwolle jedes Fortarbeitcn unserer Fabriken unmöglich zu machen schien. Der letzte Landtag des am Rande des Abgrunds schwebenden Sach sens 1811 bewilligte 30 Millionen für die kommenden 6 Jahre, nach deren Verlauf er wieder mit seinem König Zu berathen hoffte. Doch was ereignete sich in diesem kurzen Zeiträume! Eine zweite Zusammen, kunft fand in unfers Königs Palaste statt. Er bewirthete im Jahre 1812 zwei Kaiser, zwei Kaiserinnen, einen König, einen Groß- Herzog, und schon das Jahr darauf mußte er fast in denselben Tagen, die Freiheit des Entschlusses zu behalten, seine Residenz verlassen. Denn von den Tausenden, diei'nstol- zer Hoffahrt nach Rußlands Ebenen gezo gen waren, kamen kaum einzelne zurück. Seuchen, Schlachten, Hunger und Kalte hatten das größte, schönste und tapferste Heer vernichtet, das je im Felde erschienen war. Aber der Norden Europa's war auf- gewacht, wie der Bar, der in feiner Höhle angegriffen wurde. Er machte sich auf, den Süden zu bekriegen und Sachsen war der Punkt, wo die beiden Riesen zusam- mcntrafen. Vom kleinsten Lande, vom friedlicbenstcn Fürsten verlangte der eine wie der andere, daß er seinen Waffen ver traue und sich zu ihm gegen den Gegner geselle. Da sah der beste Fürst alles verei telt, was sein Volk hatte glücklich machen sollen. Er wendete sich an den nahen mäch tigen Kaiferstaat Oesterreich, um dessen Stimme zu hören. Doch indessen hatte Süden alle Kraftju- sammengebracht, und in Lützens Ebenen eine blutige Schlacht, wo nicht taktisch, doch vollkommen strategisch, gewonnen. 3^ oder Nein wollte er nun haben. Es Hie8 keine Wahl. Und Friedrich August, der am Ende Febr. Dresden verlassen hatte, kam am 12. Mai wieder zurück, seine Un- terthanen gegen die Willkühr des Siegers zu schützen, der für ihn und seine Tugend eine heilige Scheu und Achtung hegte. Noch in dem schrecklichen Augenblicke legte er diese an den Tag, wo er, aus Deutschland flie hend , von ihm den letzten Abschied nahm. „Seht in ihm den Retter Sachsens!" sprach Napoleon zu Dresdens Abgeordne ten, als sie ihren König, den Napoleon feierlich empfing, begrüßten. Doch Sachsens Rettung stand nicht M den Händen eines Menschen! Große neue Schlachten folgten einem Waffenstillestande, der nicht minder verheert hatte, als sie/ und die Schlacht bei Leipzig unter unscrs Königs Augen lange hin und her schwan kend, endete mit der Niederlage des franzö sischen Heeres. Der König konnte dem flie henden Napoleon folgen. Doch Friedrich August erklärte, sich der Gerechtigkeit und Großmuth der Sieger in die Arme werfen zu wollen. Man zeigte ihm an, daß im Schlosse zu Berlin alles zu seiner Aufnah me bereit sey. Am 23. Octobcr ging er dahin ab. Den friedliebenden, nur Recht, Billig keit und Treue athmenden Fürsten sah man