Volltext Seite (XML)
Zuschlägen. Tell schalt diesen Befehl grausam und unmenschlich und erklärte, daß er lieber ster- ben, als das Leben seines lieben Söhnchens in Gefahr setzen wolle. Geßler rrwiederte: „Nun, so stissc ich euch beide au den Galgen dangen, damit ihr beisammen bleibt und euch im Tode noch fortlieden könnet" Man stelle sich nun die Angst des zärtlichen Vaters vor, so wie jene des Soh nes und der Mutter; welch kleiner Zufall konnte den Schuß unglücklich machen! Aber es half nichts, weder das Bitten der edlen Gattin, noch das Flehen des schuldlosen Knaben, auch kein Fürbitten der umstehenden Zuschauer, von deren Seufzen die Luft ertönte, wollte helfen; der Laodvoigt blieb bei seinem harten Urtheil, und Tell mußte sich zu dem gefährlichen Schuß be quemen. Nun, wenn es denn einmal seyn muß, sagte er, so scy's gewagt- Leben oder Tod, beides tragt derPfeil auf seinen Schwingen: Er ergriff den Pfeil und Bogen, schoß ab, und — glücklich flog der Apfel vom Kopfe des Knaben. Ein allgemeines Jauchzen und Freuden geschrei erfüllte bieLuft, und alles was Schweizer hieß, freuete sich laut und herzlich; nur .der unmenschliche Geßler nicht. Dieser näherte sich dem Tell: Schütze sonder gleichen, sprach er, ich werde mein Versprechen halten und dir den Preis deiner Geschicklichkeit ertheilen. Aber noch beantworte mir: Was wolltest du mit diesem zweiten Pfeile machen, den du vor meinen Augen verbargst? es war ja an einem genug, wozu also der andere Pfeil? — „Um dein Her; damit zu durchbohren, Tyrann, wenn meine Hand den Lebensfaden meines geliebten Sohnes unglück lich geendet harte?' Bei diesen Worten, die ein Vater unmöglich zurückhalren konnte trat der Landvoigl erschrocken in die Märe seiner Trabanten zurück. Grimmig widerrief er sein gegebe nes Wort, ließ Telln Hände und Füße binden, und rhn auf das Schloß Kusnach bringen. Eie mußten deshalb über den Altdorfer See fahren. Tell wurde auf das Schiff gebracht und Geßler selbst machte diese Reise mit. Das Fahrzeug fliegt bei Nacht über die ruhigen Wellen, aber plötzlich erhebt stch der Wind aus Nord und West zugleich, ein Welter mit Sturm und Schloßen beunruhigt bas Schiffchen, es tobt fürchterlich und zwingt die Ruderer ihre Arbeit aufzugchm und bas Schiff den Wogen des Sees zu überlassen. Alles zittert und erbleicht, Geßler am meisten; Aber Teil in Ketten ist der einzige Ruhige. Alle die im Schiffe waren, sagten dem Geßler, daß sie hier sammtlich ertrinken müßten, wofern er ihnen nicht erlaube, den gefangenen Tell seiner Fesseln zu entledigen, der nicht allein außerordentliche Stärke be säße, sondern auch zugleich der erfahrenste Schiffer dieses Sees sey. Der Statthalter wei gerte d>eß; aber Las Murren des Schiffsvolks, der zunehmende Sturm, die Gefahr seines eignen Lebens, bestimmen ihn, nachzuaeben. Soldaten und Bootsleute eilen, ihn frei zu ma chen. Schweigend ergreift er das Steuerruder, und trotzet dem Winde und den Wogen. Er giebt dem Schiffe unbemerkt die Richtung gegen die Landschaft Schwitz. Der gefähr liche Sturm hak nachgelassen, der Morgen dämmert; das Schiff befindet sich unfern des Landes. Tell bemerkt die Stelle, welche er sich zur Flucht, aüsgesonnen. Da er einem Felsen vahe genug war, stellte er sich auf die Spitze des Kahns, ergreift mit schneller Hand Do- Arn und Pfeil e>ücs Schützen, und schwingt sich hinüber auf den Fels, welcher noch heuti ges Tages der Tellfelsen heißt. Durch die zurückwirkenbe Gewalt des Sprungs hatte das Schiff sich wieder etwas vom Ufer entfernt, und ehe diese das Land wieder erreichten, war Tell entflohen. Geßler steigt aus, und läßt durch seine Soldaten den Berg umringen- Geßler selbst sucht ihn, umgeben von Schützen. Tell hatte sich nahe über einen Hohlweg versteckt, er läßt seinen Feind, bis ans eine gewiße Entfernung sich nähern, damit der Pfeil, den er bereit hält, desto sicherer treffe. Er sieht und faßt Geßlern, legt den Pfeil auf, und läßt ihn durch die Luft fliegen. Er trifft das böse Herz des Statthalters, der nun seine Seele unter Flüchen aushaucht, wahrend Tell auf unbekannten Fußsteigen seinen erschreck" «en Verfolgern entkommt. (Die Fortsetzung folgt im künftigen Jahrbucht.)