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Unglückliche — wurde drei Jahre lang an dir Lau, nm dieser Verrückten gekettet." Der brave junge Sachse nahm sich seiner theil- nehmend an und bezahlte für den Abgemergelten aus eigenen Mitteln die nahrhafteste Kost. Nach einigen Monaten wurde er abgerufen; blaß, entstellt, händeringend kam er zurück und taumelte in einen Sessel. „Ich habe ihn gesehen" — stöhnte er und hielt sich, als ob er sich vor etwas fürchte, die Hände vor die Augen, — „den furchtbaren Argrncon und dahin ist der Friede meiner Seele." „Man brachte mich" — so erzählte er — „in «'nen schwarz ausgeschlagenen Saal; die Richter waren versammelt und Argencon saß in der Mit te des Tisches; vor seinem Platze lag ein Stoß Papier, neben diesem ein Crucksix und rin Todten- kopf. Todtenstille herrschte in dem Saale; die wachthabenden Soldaten glichen marmornen Bild säulen; die Fensterladen waren geschlossen, zwei Ampeln warfen einen matten Schimmer um sie her; man hörre nichts als das Kritzeln der Feder des Geheimschreibers, der dem Polizeilieulenant zur Linken saß. — Plötzlich erhob sich der letztere mit rollenden Augen; „Verworfener! — rief er mit donnernder Stimme — was willst du hier? Ke tzer! willst Du bei Deinem verruchten Calvinis» mus beharren, oder sterben?" Die Angst entriß mir das stammelnde Geständniß, daß ich entschlos sen sey, zum römisch-katholischen Glauben übcr- zugehen. „Bestie!" rief er mit einem furchtbaren Gelächter — „Du bist ja noch nicht bekehrt! Der Strick, der Dich an den Galgen bringt, ist schon geflochten." Mit hämischer Schadenfreude schien er sich an meiner Todesangst zu weiden. „Ver. rälher!" — fuhr er fort — „hast Du nicht gen Deinen König die Waffen getragen?" Ich berief'mich stotternd auf die allgemein proklamiere Amnestie. „Diese gilt," — entgegnete er — „für Ketzer Deines Gelichter' nicht; Da bist deS To des schuldig." Ich sank zu Boden; da stieß mich der surchbare Mann mit einem Fuße an und sprach: „Steh' auf, Verworfener, Frankreichs allrrchrist, kicher König g'ebt Gnade für Recht, bitte Golt für ihn, er schenkt Dir das jLeben. Willst Du abschwörcn den ketzerischen Glauben?" Ich stam melte Vas verhänzaißvolle Ja! — „dstß ist" — endete er schwermüthg —> „der Wurm der an meiner Seele nagt." Acht Tage lang mußte er von nun an täglich eine Stunde bei einem Jesuiten zubringen; fürch terliche Eidschwüre lasteten auf seiner tief beküm merten Seele; in seinem Lumpengcwande, mit nack, ten Füßen stieß man ihn, mit einem Passe verse hen, an einem kalten feuchten Dezemberabende hin aus in die finstere Nacht. — Mein junger Sachse sprach nunmehro das Fran, zösische schon ziemlich geläufig und die Wintermo nate verstrichen in traulicher Einsamkeit. Zum Frühjahre erhielten wir einen neuen Ge sellschafter; der Major führte einen in einen Man, tel gehüllten Mann mit einer ziemlich blonden Pc» rücke und einem Krempenhute auf dem Kopfe bei unS ein, der ohne Umstände an unfern Tisch trat, sich eknschrnkte und einige Gläser Wein unter jo, vialischem Gelächter hinunterstürzte. „Wir sind, wie Sie sehen — begann Rv, der Schliesser, — „für Ihre Unterhaltung besorgt;