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aber der gestrenge Herr von St. Mars erwischte ihn, machte seinem bei der Flucht behilflich gewesenen Kammerdiener den Prozeß und ließ diesen hängen. Um dem Herzoge die Lust zu neuen Versuchen zu be nehmen, ließ er den Kerl gerade an den Eisenstäben seines Kerkers aufhängen; dort bammelte er so lan ge, bis er verfaulte." Ich schauderte; wenn dies einem in Ungnade ge fallenen Günstlinge deS Königs widerfahren konnte, was sollte, dachte ich, aus uns, hilflosen Geschö- Pfen werden? „Der arme Herzog" — fuhr Ru fort — ,chatte sich eine Spinne abgerichtct, welche die Brodkrumen aus seiner flachenHano abholte und sich dann wieder in ihr Gespinnste znrückzog. Einst überraschte ihn Herr von St. Mars bei dieser armseligen Unterhal tung. Was glauben Sie, daß er that? Er hielt ihm eine moralische Vorlesung darüber, daß ein Staatsgefangener sich mit gar nichts belustigen dür fe und zerquetschte lachend das Thicrchen in seiner Hand. Diese kleine Plaisanterie brachte ihn in Ruf; er wurde befördert und auf der Insel St. Margue rite brachte er vollends sein Schäfchen ins Trockne. Dort überfütterte er seine Gefangenen so gewaltig, daß sie vor Hunger starben, aber — hahaha! — in seinen Consumtionstabellen lebten sie w ch lange fort. Auch er soll leben! der brave Herr!" — Er lüftet« den Kork einer zweiten Flasche und schlürfte den per lenden Wein in langen, gierigen Zügen hinunter. „Ein herrliches Weinchen!" schmunzelte er — «thm zu Ehren will ich noch ein Stündchen verplau dern. Kennen Sie den Neffen des Herrn Gouver neurs, Guillaume von Formanoir genannt Corbe. Wenn ihm doch — er sah sich schüchtern um — der T>... heut den Hals bräche! Ein sauberes Kerl chen, dem Ursprünge nach, mit Respekt zu vermel den, ein verlaufener Gärtnerbursche. In unserm schönen Frankreich ist aber einmal mit Gelbe alles zu machen; der Onkel kaufte ihm eine Lieutenants stelle in derMarechaussee, von da kam er zu uns." Er schenkte wieder ein und trank; doch diesmal, wie er sagte nicht auf Corbss Gesundheit, sondern um sich sprachselig zu erhalten und wirklich schien sei- ne Einbildungskraft im Champagner auf komische Weise zu moussircn. „Wenn ich ein Mahler wäre"— fuhr er fort — „der — er schielte schüchtern nach der Ehüre, ehe er den Ehrentitel aussprach — „Schlingel müß te mir sitzen. Haben Sie je ein häßlicheres Mon- strum in einer Uniform stecken sehen ? seine nur zoll- breite Stirn ist eine Probe von halbverbranntem Per gament; seine kleinen Schweinsaugen hätten in sei- ncn Ungeheuern Nasenlöchern Platz, sein Mund reicht von einem Ohre zum andern und, wenn er lacht, verpesten die Ausdünstungen seiner verfaulten Zähne die Luft. Nehmen Sie sich vor ihm in Acht; wenn das Kerlchen böse wird, so kann ein Teufel mit Nu tzen zu ihm in die Schule geh'n." DerWein thatjetztschon seine gehörige Wirkung; Nu glühte und seine Zunge wurde immer geläufiger. „ Noch fehlen in der Gemäldesammlung zwei wa ckere Kumpane" — sprach er weiter— „allerliebst« Männchen gleichen Gelichters! der eine sorgt für den Leib, der andere für die Seele, aber beide haben ein durchlöchertes Gewissen. Der erste" — sein« Stimme sieng allmählig zu schwanken an — „bei meiner armen Seele! der erste Ignorant, den dis Erde trägt, und dem ungeachtet Oberwundarzt der Gs s