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Unbesonnenheit hinein zu deuteln; so war sie denn hinreichend, ihnen das Todesurtheil zuzuziehen. Jndeß wagle man eS noch immer nicht, rasch zum Aeußersten zu schreiten. Erst als man den Bürgern einige Monate Zeit gelassen, sich in den Versammlungen an die Abwesenheit jenes Patrio ten zu gewöhnen; erst als man noch mehr fremde Truppen — theils Brandenburgische, theilö Meck lenburgische — in die Stadt gezogen hatte, ward das Urtheil publicirt. Es entschied: daß Snikger und Zastram enthauptet und geviertheilt, und ihre Köpfe dann über zwei Stadtthore ausgesteckt wer den sollten. Was diesen Spruch völlig als den Sieg einer ,Faktion bezeichnet, ist der Umstand, daß man zugleich die Rückberusung des meineidigen Meurer und seine Wiedereinsetzung in die Würgermeisterwürde beschloß. Der 4. Oktober rüzü war der furchtbare Tag, dem. alle rechtschaffene Bürger Hamburgs mit Schrecken, und sogar Snitgers blutgierige Feinde nur mit banger zweifelnder Freude entgegen sahen: der Lag der Vollziehung. Snitger selbst war vielleicht der einzige, der ihn mit voller Fassung er wartete. Als die Stunde der Hinrichtung anbrach, be setzte man die Märkte, die Thore und den Richt platz mit fremden Truppen. Dann erst begannen die Glocken ihren feierlichen Ruf, bei dem sich alle Bürger in ihren Haufern mit Thränen dcS Jam mers verschlossen. Der ganze Staat schien einem Todeskampfe entgegen zu gehn. Eine starke Bedeckung holte zuerst Iastram aus seinem Gefängnisse ab. Sein zärtlicher Körper bau, sein furchtsamer Geist hatten den Schmerzen dec Folter, den Schrecken des Kerkers und des nahenden Todes nicht widerstehen können: er zit terte zum Richtplatze hin. Als er durch dasSkcin- thor geführt ward,.sah er die Knechte des Büttels eben beschäftigt, die Stange zu befestigen, auf welcher der Kopf seines Freundes, als ein lange dauerndes Schmachzeichen, stehen sollte. Er sank ohnmächtig an dem Fuße der angelehnten Leiter nieder. Man riß ihn auf und schleppte ihn fort; fast ohne Bewußtseyn empfing er den Streich des Todes. Noch rührender war die Scene, die Snitgers edles Leben endigte. Man erinnert sich seiner Gat tin, die einst den schönsten, rührendsten Triumph mit ihm thsilte, dessen je eia Staatsbürger sich er freute. Auch in's Gcfangniß war sie ihm treu ge folgt; auch in die Folterkammer hatte sie ihn, mit dem unerschütterlichen Muth einer Spartanerin, begleiten wollen. Man war so menschlich gewesen, es nicht zu erlauben: aber welche Gefühle mögen während der gräßlichen Zeit seiner Marter das Herz der Verlassenen zerrissen haben! Und wenn man ihn nun,, halb sinnlos vor Schmerz, und un-- fähig, seinen verrenkten Gliedern zu gebieten, ih rer jammervollen Pflege zurück gab! Hin ¬ weg, hinweg mit diesen Bildern! Es giebt Si tuationen, vor denen die Seele des Erzählenden zurückschaudert, und die er, aus Schonung, die Hörer kaum darf ahnen lassen. — Mit festem entschlossenen Schritte trat Snitger aus seinem Kerker hervor, unter die schreckliche Be gleitung, die ihn erwartete. Hinter ihm bebte ein bleiches, abgezehrtes Gespenst über die Schwelle. Der dumpfe Schreckenruf der Glocken, der ihr zu gleich mit der ungewohnten, freien Luft entgegen kam; die Weiber und Kinder, die in der Entfer nung jammerten; die starren, gefühllosen Gesich ter der Soldaten, «— die Unglückliche ertrug es»