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gab keinen Bürger in Hamburg, der nicht mit Enthusiasmus Gut und Leben ausgcopfcrt hätte, ihn dem Staate zu erhalten. Sm'tgcr erwicberte diese Liebe mit gleich warmen Gefühlen. Ihr Wehl war von nun an LaS Geschäft seines Lebens, daS höchste und einzige Ziel seiner Gedanken. Aber er empfand zugleich sehr tief, welche furchtbare Bürde das Zutrauen war, das die Wohlfahrt des Staats in seine Hände legte. Mit trüber Entschlossenheit bemühte er sich, sie würdig zu tragen; doch — es gefiel der Vorsehung, ihn erliegen zu lassen. Leider war seine Rettung selbst, was Hamburg bald in äußerst große Bedrängnisse brachte. Die gefangenen Räuber wurden auf dir Folter gelegt, sie bekannten, in auswärtigen Kriegsdiensten zs stehen, und den Streich in Auftrag von zwei in Hamburg residircnden Gesandten unternommen zu haben. Der Magistrat glaubte darauf keine Rück» sicht nehmen zu dürfen, und ließ sie auf offenem Markte enthaupten. Weit entfernt, ihre Lheil« . nähme an dem Menschenraubs zu leugnen, beschwer ten sich jene Gesandten mit Heftigkeit darüber, daß man gewagt habe, ihre Kreaturen zu bestrafen; alS wenn wirklich ihr Name dazu hinrcichte, ein Bu benstück und dessen Vollzieher zu heiligen. Der kaiserliche Hof droheie mit der fürchterlichsten Ra che, forderte ungeheure Gelosummen als G nug- thuung, und verwies, da sie nicht bewilligt wurden, die Hamburgischen Deputaten aus Wien. Der Herzog von Zelle verlangte Entschädigung, daß man sein Gebiet mit Gcsaiigcnnehmung der Räu ber verletzt habe; und Hamburg sah sich — daS gewöhnliche Schicksal zu kleiner Staaten — mit neuen Mißhandlungen bedroht, weil es ihm gelun gen war, eine ihm bereits zugedachte zu vereiteln. Im Anfänge des Jahres i6üü nahmen Zellische Truppen unvermuthet den größten Theil des Ham burgischen Gebietes in Besitz. Dir Magistrat wandte sich mit dringenden Bitten um Vermitte lung an jenen Fürsten, der, so klein auch sein Laad vrrhältnißmäßig war, doch mit ungleich gegründe ten» Rechte, als Ludwig XlV., der Stolz seines Jahrhunderts genannt zu werden verdiente. Der große Kurfürst von Brandenburg hatte sich wäh rend der Unterhandlungen zu Wien und Zelle sehe lebhaft für Hamburg verwendet. Auch jetzt ließ er dem Herzoge ernstliche Vorstellungen thun, und bot der Stadt eine Besatzung an; aber sich in ei nen offenen Krieg für sie einzulassen, erlaubten ihm die Rücksichten auf daS Wohl seines eigenen Staa ts nicht; und so schien Hamburg seinem Schicksal hülfloS hingcgeden. Jetzt bemächtigte sich der Stadt jene ängstliche Ungewißheit, die m'cdcrschlagender ist, als die Ge genwart der furchtbarsten Gefahr. Handel und Gewerbe stockten, weil Fremde erst den Ausschlag des Geschicks erwarten wollten, ehe sie neue Ge schäfte cinleiteten, und weil selbst die Einwohner der Stadt heimlich Vorkehrungen trafen, sich, im Fall einer unglücklichen Belagerung, zu rettem Kaum kamen noch Lebensmittel zu Markte. Mit gesenktem Haupte und in trübes Sinnen verloren, schlichen Rathsherren und Bürger zu ihren Vero sammlungsn, und wieder nach Hause, ohne Aus kunft gefunden zu haben. Nur zu Snitgern sah man noch zuweilen mit Hoffnung auf; aber auch seine Miene zeigte tiefen Gram, und jene finstere Fassung, mit der ein fester Mann der letzten, en denden Scene eines rühmlichen Lebens entgegen zu gehen pflegt. Auf der Stirne größerer Menschen glaubt die Menge die Zukunft cnträlhfeln zu kön nen, wie an den Gipfeln der Berge das Wetter