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Gegen Abend schien zwar der Sturm einen Augenblick nachzulassm, aber nur, um imit ver doppelter Wuth bald aufs neue zu toben, wozu Hagel, Schnee und Frost sich gesellten. Die em pörte See spielte mit dem Schiffe, gleich wie mit einem Balle. Die Matrosen verließen ihre Po sten, weil sie theils wegen der Kälte nicht mehr aushalten konnten, theils auch die unaufhörlich überschlagenden Wellen sie vom Verdeck zu reißen drohten. Alle stiegen hinab in den Raum, über ließen das Schiff den Wellen, und sich selbst der Barmherzigkeit Gottes. Jetzt hörte man nichts als Seufzen und Weh klagen der Menschen, Stampfen und Schlagen der Pferde (deren 8 Stück dem Herrn Obristen von Stenbock zugehörig auf dem Schiffe waren), Poltern der Fässer und Kaufmannsgüter, Rau schen der Wellen, Brüllen des Sturms und Kra chen des Schiffes. Niemand konnte stehen, sitzen noch liegen, ohne von einem Ort zum andern ge worfen zu werden. Und dieses Elend dauerte die ganze Nacht, wodurch wir Zeit gewannen, uns christlich zum Tode zu bereiten, wobei der Durch lauchtige Prinz uns Allen mit trefflichem Beispiel vorleuchtete. Unter Andern hatte der Herr Obriste v. Klin- kowström einen getauften Türken, der in dieser Noth erfuhr, w^e tröstlich der wahre Glaube in der letzten Stunde seh; denn mit frommer Ergebung in den Willen Gottes warf er sich seinem Herrn zu Füßen, und begehrte Verzeihung, wenn er ihn irgend beleidigt habe. Worüber dem Herrn Obri- sten die Thränen in die Augen traten, er ihm die Hand reichte und sprach: „Ich vergebe dir Alles." Um zehn Uhr verlangte der Capitain, es möch ten Se. Durchlaucht auf das Verdeck kommen, und das grausame Spektakel des Unterganges se hen , denn die zwei Anker wären schon geborsten, und das Schiff werde bereits gegen die Felsen ge trieben.' Der Prinz eilte demnach im Schlafrocke in die Höhe und sah' das Elend mit an, als schon das Schiff von den Wellen gehoben und gegen eine Klippe geschleudert wurde, daß es krachte, gleich einem Donnerschlag, wobei so eben der Mond nur einen Augenblick aus den schwarzen Wolken trat und das jammervolle Schauspiel er leuchtete. Es blieb aber nicht bei diesem Ersten Schlage, vielmehr wurde das Fahrzeug jetzt Einmal über das Andere gegen die Felsen geworfen, so daß es in wenig Minuten borst, das Wasser an allen Seiten herein drang, und Alles, was unten im Raume sich befand, ersäufte. Der Herr von Wartensleben, der zu unserer Suite gehörte, war in der Kajüte auf seinem Bette liegen geblieben, un^wurde recht wunder barerweise errettet, sintemal das Schiff hinten zu erst zertrümmerte, und ein Balken, der unter ihm hinfuhr, ihn gleichsam aus dem Bette hob, und mit Gewalt nöthig-e, die Kajüte zu verlas, sen, da ein Augenblick längeren Verzugs sein Tod gewesen wäre. Die Matrosen schrien: man sollte sich in den beiden Schaluppen retten! aber diese wurden so gleich von cen Wellen ergriffen und verschlungen. Um den Jammer zu vollenden, stieß die Bran dung das Schiff wieder ab von den Klippen, und augenblicklich begann es zu sinken. Die Matro sen hingen sich an den hintersten Mast, der Prinz und wir an den vordersten, betete« ein Vater Un ser und nahmen Abschied von einander. Jetzt hob sich auch der Herr von Wartensleben aus den 8 -