Volltext Seite (XML)
den alten ehrwürdigen Bürgermeister de la Ruelle ihrer Rache opferte. Zu Vollziehung feines Mordanschlages er wählte er den i6ten April im Jahr r6z?. Ta ges vorher kam er sehr frühe des Morgens zu dem Bürgermeister, als dieser noch im Bette lag, und lud ihn zu einem Gastmahle auf den morgenden Mittag ein, gleichsam um seiner Einladung durch den persönlichen Besuch noch mehr Gewicht zu ge ben. Rüell« versprach zu erscheinen. Am ange setzten Tage schickte der Graf sogar feine Karosse dem Bürgermeister vor die Thür, der sich aber zu Fuße dorthin begab und aufs freundlichste em pfangen wurde. Es fanden sich auch bald mch. rere angesehene Gäste ein, als: der königlich frau- zösische Resident, Abbe' de Mousson, die Dom herren Nyes und Kernhem, der Baron Saison mit feiner Gattin und Sohne. Kaum war die zweite Tracht auf die Tafel gesetzt, als Warfusee mit lauter Stimme die Ge sundheit König Ludwigs des Gerechten ausbrachte. Auf dieses verabredete Signal trat «in Burgundischer Graf von Milis in einem schwarzen Sammetrocke herein. Er war ein gro ßer starker Mann, führte in seiner Hand einen entblößten Degen, in der andern eine Pistole, und ein Haufe bewehrter Spanier folgte ihm in den Saal, die man nach und nach ins Geheim aus den nächstgelcgenen Festungen hatte herein schleichen lassen. MiliS gieng um die Tafel herum, und sah je dem Gaste scharf ins Gesicht. Weil aber Alle vermeinten, ihr Wirth habe nur zum Scherz eine solche Mummerei angestellt, so lachten die Gaste, statt sich zu entsetzen. Es folgte aber bald dem Ersten Hausen der Spanier noch ein Zweiter nach, gleichfalls bewaffnet bis an die Zahne- und nun begann den Gästen bange zu werden. Eie mach ten sofort einen furchtsamen Aufstand. Der Wirth aber gebot Stille, und redete sie folgender- gestalt an: „Fürchtet euch nicht, ihr Herren, Ke ses ist nicht auf euch angesehen." Bei diesen Worten gab er etlichen HenkerSbu- bxn einen Wink, des Bürgermeisters einzigen Diener zu halten. Dann kehrte er sich mit er grimmtem Gesicht zu ihm selbst, und rief: „Ver- „räther! dir gilt es! noch in dieser Stunde will „ich dein treuloses Herz in meinen Händen ha- „ben!" „Wie, mein Herr?" versetzte Ruelle, „habt „ihr mich deshalb zu Gaste geladen, um mich zu „beschimpfen?" „ Spare die Worte," fuhr ihn der Graf wü- thend an, „du mußt sterben! Befiehl deine Seele „Gott!" Alsobald'ließ er ihn in eine Kammer schlep pen, und zwei Geistliche zu ihm kommen, welche selber so bestürzt waren, daß sie nicht einmal seine Beichte hören konnten. Doch der edle Greis hat te sich bereits in sein Schicksal ergeben. Mit frommer Gelassenheit sprach er den Priestern Muth zu, beichtete und erhielt die Absolution. Die Mischung von Barbarei und Gottes furcht, die das sogenannte Mittelalter so son derbar auszeichnete, wird auch hier noch sichtbar.' Warfusee, der Bösewicht, der einen so schändli chen Mordanschlag ausbrüten und ausführen konnte, wagte es dennoch nicht, sein Bubenstück zu vollenden, bevor der Bürgermeister seine letzte Beichte abgelegt. Dann aber traten sogleich et liche Mordbuben herein, versetzten dem Greise ei nen Hieb über den Kopf, daß der Sabel durch