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Das stumme Kind. Es nähret Mutter/ Weib und Kiyd Der Fischer Hall mit Sorgen; Denn alles/ was er heut gewinnt. Begehrt die Noch schön morgen. .Jrtzt drückt des Weibes thäl'ge Hand Er schnell mr engen Garten, Und eilt zum Kahn, bei Sonnenbrand Des kargen Glücks zu warten. Sein Knabe, der am Strande harrt, Läßt nach ihm Küsse schweben, Doch lautlos nur, denn Sprache ward Dem Armen nicht gegeben; Drum blickt auch jetzt zum Himmelßdom Der Bater wehmuchbange; Fort spielt der Knab', und fern im Strom Singt Hall zu gutem Fange: „Gebieten kann der Fischersmann, „Wohin sein Kahn geschwommen; „Hier ist mein Reich, drum werden gleich „Die guten Fischlein kommen! „Bis in den Lod darf, bei Gebot, „Der Unterthan nicht rechten; „Drum Fischlcin wild! drum Fischlein mild! „Laßt in das Garn euch flechten." Oft leer zur heiß umdampften Fluch Hat er sein Netz gewunden; Die Fischlein zwingt Gewittergluht, In Liefen kühl zu gründen. Und wetterkündend raset schon Der Wind in Wirbeltänzen, Und heult zu fernem Donnerton Bon nächt'gen Wolkenkränzen. Nicht beutelos darf Hall nach Haus/ Ob sich Entsetzen thürmen, Er schleudert starr tue Netze auch Gewinn sich zu erstürmen; Doch schnell erlischt des TageS Schein Empörte Fluchen bäumen Und greisen frech in's Land hinein, Mit raubendem Zerschäumen. Wie Hall erschaudernd ringt und rafft. Daß er sich noch errette, Eh' ungezähmte Wogcnkraft Im Wasserschlund ihn bene, Da ahnt, weil schwer daS Netz sich wiegt, Er froh, das Unglück weiche; „Erbarmen, Golt!" — das Netz umschmiegt Des eignen Kindes Leiche. Und wieder tönt in dumpfer Hast: „Erbarmen, Gott, Erbarmen! ,,Denn deines Zornes Höllenlast „Zermalmet ja mich Armen; „Hätt' ich's verdient mit schwerer Schuld, „Muß solche Qual sich enken; „Drum hoff' ich, meines Gottes Huts „Wird hier noch Hülfe senden!" Den Sturm b.siegend, flicht durchgraut Er zu der Hütte Stufen, Und hört der Mutter Jammcrlaut Erschöpft das Kind errufen; Da, mit des Glaubens.frommen Muth^ Drängt in die todte Hülle Er aus des Herzens Liebegluth Des Vaterathcms Fülle. „Erwache» Sohn! Ich höre »ah „Der Mutter Tritte schallen!" Und sreuudlich auf der Knabe sah Und „Vater!" kann er lallen; *) Die Angst, als ihn die Fluth enlnahrn, Zerriß der Sprache Banden. So ist aus ungeheurem Gram Die schönste Freud' erstanden. Und „liebe Mutter!" grüßt das Kind, Als näher sie erscheinet. Und wie die Sorg' in Lust zerrinnt, Da sinkt sie hin und weinet, Und Alle rufen fest umarmt: „DeS Menschen Schatz ist Glaube! „O Gott, der du dich mild erbarmt, „Wir beten an im Staube!" Daß heftige Gemüthsbewegvngen Wirkungen dieser Art hervorbringen können, ist durch unläugbar« Thatsachen außer Zweifel gesetzt. Man erinnere sich dessen, was von dem ältesten Sohn« des Krösus erzählt wird, der, seit langer Zeit stumm, als er einen Perser auf seinen Vater mit d«tv Schwerte einbringen sah, auf einmal die Sprache wieder erhielt und auSrief: „Schone des Königs!'