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„Im Laufe des Vormit tags noch ziehe ich ein, lassen sie die Wohnung danach ein richten." Bei diesen Worten langte er seine Börse hervor und gab einen Napoleon Draufgeld. Dann sah ihn Jean in der Nähe der Kirche in eine Equipage steigen und davonrasseln. Monsieur Joyeuse und Madame Joyeuse hatten in der darauf folgenden Stunde, während welcher sie sich mit der Reinigung der Dach stube beschäftigten, vollauf Muße, sich in Betrachtungen zu ergehen, inwieweit ein Ritier der Ehrenlegion als Bewohner eines Mansarden zimmers schlimmster Art in den Augen ehrlicher Leute noch seineidNimbus behalten könne. „Er ist ein Betrüger, Schwindler, Falschmünzer", entschied Herr JeanJ.yeuse. Man werde dem säubern Herrn auf die Finger sehen müssen. Madame aber, als ehemalige Blumenbinderin romantischer Natur, witterte einen Don Juan, der „seine Absichten" hatte. Das er götzliche Zwiegespräch hin derte aber keineswegs, daß die Spinnen vertrieben, die blinden Scheiben geputzt und die Dielen gescheuert wurden. Kaum war das geschehen, als der geheimnißvolleFremde in Begleitung eines Dieners vorfuhr. Letzterer trug eine unheimlich aussehende, total schwarze Kiste, mehr Kasten als Kiste, ähnlich in Form und Größe einem Kinder sarge. Das war das ein zige Gepäck, das der Diener in die neue Wohnung trug. MonsieurJoyeuse warf seiner Ehehälfte einen bedeutungs vollen Blick zu und flüsterte ihr bei Seite zu: „Ein Mör der!" Dann sragte man den Bedienten, was im Sarge sei. Dieser lächelte ver schmitzt und antwortete: Er wisse es nicht. O, Monsieur Johcuse hatte es wohl ge ahnt, diese Kreatur war mit ihm im Einvernehmen. Ver dacht, Neugierde und Angst des Ehepaares steigerten sich Ich kenne Dich! bis zur höchsten Höhe, als der Fremde kurz sagte: Aussehens, „Monsieur Jean, sic lassen nur einen einzigen Herrn bei mir vor." „Sehr wohl, mein Herr, woran erkenne ich diesen?" „An der Parole: Im Namen des Teufels!" Monsieur Jeans Zunge war gelähmt, und Madames Annahme, einen gefährlichen Don Juan vor sich zu haben, erlitt einen starken Zweifel. Der Fremde aber schritt, ruhig in Gewissensreinheit die Stiegen hinauf. Das Ehepaar hatte sich noch nicht völlig von seinem Schrecken erholt, als der Draht der Klingel wieder gezogen -wurde, und ein anderer Fremder erschien, düsteren ' , ", mit finsterem Blick und noch finsterer d'rein- schauenden Augenbrauen. „Zog heute ein Herr hier ein?" „Schöne Maske! ich kenne Dich! Dn bist kein junges Huhn — Du bist eine alte Henn'!" Der Menschenfresser. Knabe: „Nicht wahr, Herr Informator, die Menschen fresser sind Affen?" Informator: „Gott bewahre! Ein Menschenfresser ist ein Mensch, der z. B. auch so aussieht wie ich." „Sehr wohl, aber er ist für Niemanden zu sprechen!" „Für mich wohl. Lassen sie mich nur durch. Ich komme im Nameu des Teufels." Damit verschwand der un heimliche Gast ebenfalls. Bon nun an trafen Beide, der Miether, der in seiner Woh nung nicht schlief, und der Abgesandte des Teufels, jeden Morgen zur bestimmten Zeit im Hanse ein, schlossen die Thür der Mansarde hinter sich zu und gingen um fünf Uhr wieder fort. Monsieur und Madame Joyeuse stellten alles Mögliche an, um hinter die Schliche des gefährlichen Menschen zu kommen. Sie horchten abwechselnd an der Thür, vernahmen aber nichts, als gottlose Lieder, die von den Wänden der Mansarde widerhallten. Sechs Wochen dauerte so das Treiben der Beiden. Da schnappte eines Tages der Portier, als ge rade eine Pause im Singen eingetreten war, doch ein Paar Brocken der Unter haltung ans. „Nur immer Muth, es muß gehen", hörte er sagen. Er erkannte die Stimme seines Miethers.