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sich unter freiem Himmel alles, was Kucke und. Keller vermochten, die geistl che uno weltliche Obrigkeit ging ihnen ehrerbietig entgegen, als Menschen, die Mull) genug hätten, durch Schmer zen sich zu heiligen. AlS sie aber auS großen Heiligen in große Sünder ausarteten, vor denen Ordnung und Zucht die Thüren verschließen muß ten, als man bemerkte, daß sie dem bürgerlichen Leben, besonders aber durch Verachtung des öf fentlichen Gottesdienstes und der Geistlichkeit, der, kirchlichen Verfassung selbst gefährlich wurden, da erklärte sich der Papst öffentlich gegen sie, und ge bot, sie überall zu vertreiben. Doch hielt dieß in der That schwer; denn ihr Name war Legion. So stellten sich z. E. bei Eilbrechtshofen in der Erfurter Gegend einst über Zooo, bei Günnstädt über 6000 Geißler zur Kirchweihe ein. Ueberhaupt fanden sie in Thüringen so viel Zuschlag, daß die Leute, um ihnen nachzufolgen, „an manchin endindy Hußir vnnd dy Dorffer wüste stehen ließen." Wollte man diese ungebetenen Gäste los werden, so bedurfte es fast kleiner Armeen. Daher erwarben sich die Meißner und Merse-, burgcr Bischöffe im i4ten Jahrhunderte ein wah res Verdienst, indem sie die Geißler in ihren Sprengeln nicht duldeten. Die vom Papste selbst gebotenen Verfolgun gen aber nahm diese Sekte ohne Kopf (so genannt, weil ihr Stifter unbekannt war,) sehr übel,'„vorspottin dy phaffeid vnd alle geistliche luthe," ja sie drohten, gleich Zi geunern, mit Raub, Mord und Brand, wo man sic nicht aufnchmen wollte, und steinigten jeden, der sich weigerte, ihnen das Kreuz vorzulragen. Wie die Käfer im Frühjahr aus der Erde, so erschienen die Geißler, man wußte oft selbst nicht wie? und woher? auch noch so hart ver folgt, immer wieder, daß man sich am Ende nicht mehr begnügte, sie zu entfernen, sonder» förmlich Jnquisitionsgerichte gegen sie niedrrsetzte und Scheiterhaufen baute. Dies geschah beson ders im 15WN Jahrhundert. So wurden z. B- auf Befehl Friedrichs dfs Streitbaren und Herzog Wilhelms Z4 Geißler von dem dazu verordneten Inquisitor, Heinrich Schönfeld, öffentlich auf dem Markte in San gerhausen verhört, und, wer nicht der Zunft abschwören wollte, zum Feuer verurtheilt. thaten mit Thränen das erstere, g aber wurden den izten Januar 5414. „durchs Feuer ge- leutert, und im Rauche^ur Höllen ge. schickt." Dasselbe Schicksal hatten 1446 an demselben Orte wieder 14, welche der Mainzisch« Inquisitor, Friedrich Müller, verurtheilt hatte — 1454 abermals 22. Und doch starben sie alle getrost und festhaltend an ihren Lehrer und Mei ster Conrad Schmidt, dec mit ihnen zugleich den Scheiterhaufen bestieg, den sie für Henoch hielten, von dem sie fest hofften, er werde an Got tes Statt das jüngste Gericht einst halten, und ihnen also einen sanften Spruch ertheilen — So weit konnte Fanatismus und Schwär, merei die Menschen verblenden. Freilich wäre rö besser gewesen, solche unsinnigen einzusperren, als zu verbrennen; aber wo di« Zucht- und Ir renhäuser dazu hernehmen in Zeiten, wo man von solchen Anstalten noch gar keine Begriffe hatte. — DaS Traurigste war, daß oft der Un schuldige mit dem Schuldigen leiden müße«. G