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und Unterleib des armen Dürrfeld, nachdem der Rock ungezogen und ausgestopft ist, etwas komisch; Speckmayer aber, der nebstbei auch eine Portion Schalk ist, denkt sich im Stillen: „Die Geschichte giebt zugleich einen Spaß, und es ist sogar sehr möglich, daß Serenissimus, wenn er Freund Dürr feld mit einem künstlichen Prälatenbauch und seinen natürlichen Hühnerbcinen sieht, zur Heiterkeit ge stimmt, und schon der Figur zu Liebe zur gnädigen Gewährung geneigt wird. Man weiß, der Lachreiz wirkt bei großen Herren oft wahre Wunder zu Gunsten Derjenigen, die ihn geweckt haben, weil Diese den Ersteren, welchen der Etiquettezwang in der Regel strengen Ernst vorschreibt, damit sogar eine erleichternde Wohlthat erweisen." Speckmayer beschwichtigt also die Bedenken Dürrfeld's mit der Versicherung, daß ihm der Rock wie angegossen stehe, und zur Herstellung der reinsten Symmetrie höchstens noch eine zweite Unterziehhose erforderlich sei. Beide Collegen begeben sich mit der Magd, welche den Rock und die Watte trägt, in den Gast hof, wo Dürrfeld abgestiegen ist, und dieser beginnt sofort seine Uebersetzung aus dem Civile ins Mili tärische, indem er nach Speckmayer's Rath ein zwei tes Unterbeinkleid über das erste zieht. Zwar ist es von Flanell, weil die vorsorglich? Gattin an eine mögliche sonstige Verkühlung bei eintretendem Temperaturwechsel auf der Heimreise gedacht hat, und der Thermometer weißt eben 30« im Schatten; allein wie bald ist nicht die Sache überstanden, und dann kann man sich ja sogleich des erhitzenden Noth- behelfs entledigen! vietum laotum, und der Gepanzerte, den ein Blick auf die Uhr zur Eile mahnt, fährt hastig in die Unisormbeink leider. Diese aber, schon etwas antiquarischer Natur und nur durch künstliche Reizmittel leidlich verjüngt, beweisen plötzlich, znm Entsetzen ihres Trägers, durch einen Krach und klaffenden Riß bis zu den Hüften hinab, daß ihre Blüthezeit für immer dahin ist. — Des Schick sals Tücken sind unermeßlich! Dürrfeld steht oder vielmehr sitzt ganz erstarrt, Speckmayer aber stürzt mit den Worten: „Noch ist Polen nicht verloren — dem Manne kann geholfen werden!" hinaus, und kehrt, noch ehe sich Dürrfeld von seiner Betäubung recht erholt hat, mit einem Paquet unterm Arm zurück, in welchem sich seine (Speckmayer's) Uniformhosen befinden. Himmel, es fehlen nur mehr zwanzig Minuten auf d:e Audienzstunde, und zehn Minuten braucht der in Hast bestellte Fiaker, um zum Residenzschlofse zu fahren! Jetzt gilt kein Besinnen mehr, obwohl das neue Beinkleid, trotz der flanellenen Unterziehhose an dem mageren Dürrfeld äußerst schlotterig anzu sehen ist, und dieser in der Eile nur die halbe Brust wattirt hat. Das Degengehänge wird in die Hand genommen, der Dreispitz verzweiflungsvoll in die Stirne gedrückt, und — vorwärts braust der Fiaker in raschem Galopp der Residenz zu. Unterwegs versucht der hoffnungsreiche Passa gier die einseitige Ausfüllung der Brust gleichmäßig auf beiden Seiten zu vertheilen, und es gelingt ihm glücklich, ein leidliches Watt-Arrangement zu erzielen. Allein, da der Waffenrock beim Anhalten des Wagens noch nicht völlig zugeknöpft und das Degen gehänge noch nicht umgeschnallt ist, fällt Dürrfeld beim Aussteigen unbemerkt der Wulst heraus und auf den Boden des Wagens. Der Eilende drückt dem Lenker des Gespannes Geld in die Hand und stürzt, den Degen in der Hand, die Marmorstufen hinan, um vor der Antichambre erst das spitze Schwert der Themis zu umgürten, wobei er seinen Verlust an künstlichem Embonpoint bemerkt. Doch jetzt ist keine Zeit und Gelegenheit mehr das De fizit zu decken; mit dumpfer Resignation werden die freistehenden zwei Knöpfe in den Löchern befestigt, und Dürrfeld schwankt — ein wahres Jammerbild — durch die Antichambre und die vom Kammer diener geöffnete Flügelthür in die landesherrlichen Appartements. Serenissimus blicken anfänglich etwas erstaunt au- die sonderbare Supplikantengestalt, allein der