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Die Stiefel als Lebensretter. „Ja sehen Sie, meine Herren", begann Doetvr Klcinschuster, „es ist so, wie ich cs Ihnen sage: Ein Paar alte, kalblederne Pumpstiefel haben mir das Leben gerettet. Ohne sie wäre ich gebraten und verspeist worden und kein Hahn krähte mehr nach mir — vorausgesetzt, das; jene Wilden sich mittlerweile Hühner angeschasft haben. Wie Sie Alle wissen, machte ich, als ich meinen Doctvrhut glücklich erlangt hatte, ge trieben von meinem jugendlich-überspanntenKopfe, der mir dort Ruhm und Rcichthum verhieß, eine Reise nach Afrika. Das ist freilich etwas mehr als die Ausflüge unserer Touristen, immer hin aber, bei den heutigen Verkehr-mitteln, noch nichts Allzugroßes. Ich lande also glücklich in Alexandrien, wandere weiter längs des hei ligen Stromes meinem vorläufigen Ziele zu und dies war kein geringeres, als — die Nil- quellen zu entdecken. Durch Egypten ging cs ganz gut, selbst in Abyssinicn war die Reise noch erträglich, dort aber nahm die sogenannte vernünftige Menschheit ein Ende — leider nicht guck) der Nil. Obwohl man mich nun von allen Seiten (auf abyssinisch) warnte, mein tollkühnes Vorhaben aufzugcben und nicht weiter in jene unbekannten Länder vorzudriugen, deren Bewohner sogar noch dem Genüsse des Mcnschenfleisches fröhnen sollten, beschloß ich dennoch, der Wissenschaft dieses Opfer zu bringen. Nebstbei flößte mir auch mein kleiner Taschenspiegel ein nicht zu unterschätzendes Zutrauen ein; ich war nämlich groß und mager wie eine Bohnenstange, und die bloße Ehre, einen Doetvr der Medicin zu fressen, konnte jene Wilden doch unmöglich über meinen gänzlichen Fleisch- und Fett mangel trösten. So dachte ich, aber es kam anders. Einige Tage ging es noch ganz gut, bis ich mich plötzlich mitten im Urwalde von einer Schaar solch' wilder Kerle umringt und somit gefangen sah. Schweigend führten die mich zu ihrem Häupt ling, einem großen, ungeschlachten Bengel, dessen Erstes es war, mir meine Reisetasche und.meine Botanisirbüchse wegzunchmen. Raublustig durch stöberte der meine geringen Habseligkeiten. Ein Stück Käse, fünf Regensburger Würste und einige Pfund Speck verzehrte er vor den Augen seiner Untergebenen; ebenso verschwanden eine Schachtel Sticfel-Glanzwichse, eine Stange Vartpomade und zwei Packcte schwedischer Streichhölzchen in seinen Nimmersatten Blagen und dazu, o Grausen! soff mir der Barbar den ganzen Spiritus ans, in dem ich die bisher gemachten Präparate verwahrt, diese so nebenbei mit hinunterschluckend. Jetzt erst kam er auf mich zu, befühlte mich von allen Seiten und versuchte, mir den Rock auszuziehen; — es gelang, und im Nu hatte ich jetzt nichts mehr am Leibe, als meine Stiefel. Diese schien man jedenfalls als einen Theil meines Jch's zu betrachten. Aus der Be wunderung, mit der man mich, und besonders aber meine Fußbekleidung, betrachtete und betastete, ersah ich gleich, daß diese Halunken von einem weißen Menschen noch nie etwas gehört, geschweige denn einen gesehen hatten, besonders aber von der Existenz eines Stiefels nicht die geringste Idee besaßen. Ich glaubte, nun werde man mich doch mit dem Leben laufen lassen und war deshalb nicht wenig froh, wenigstens meine Schuhe behalten zu dürfen — aber es sollte anders kommen. Noch einmal trat dieser gefräßige Wütherich herzu, diesmal mich auf das Genaueste von allen Seiten untersuchend, und er schien zufrieden mit mir, denn mit freundlichem Grinsen rief er einem der Umstehenden etwas zu. Der eilte fort und bald darauf kamen unter seiner Anführung einige Andere, die ein sonderbares Vehi- kulum — es sah aus wie eine Hühnersteige auf Rädern — hinter sich herschleppten, in das ich mich, ehe ich nur daran dachte, eingcschlossen sah. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, meine Herren, ein Doctor der Medicin in einer Hühnersteige! Ich dachte hin und her, welchen denkbar vernünftigen