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Das Wunderblut. (Fortsetzung.) Sebastian sprang auf. „Wie! WaS!" rief er, „kann man nicht brr reinen Lehre Anhänger sei» und doch den Wundern Glauben schenken? Haben wir s» manches nicht, au« früherer Zeit behalten? Betrug nennst du das heilige Blut? Willst du alle Wunder die geschehen sind, und geschehen werden, fortleugnen? Sind Tausende, die jährlich von nah und fern hierher strömen und Ruh und Frieden finden, allein die Verblendeten und Ihr allein die Sehenden?'Ist Dietrich von Wenk stern, weil er zweifelte, nicht mit Blindheit gestraft wor den? Und Hal die durchlauchtigste Kaiserin Sigismunde Elisabeth, als sie nicht sprechen, nicht gehen, nicht stehen konnte, nicht hier zu Wilsnack die verlorne Gesundheit wieder erhalten? Könnte ich nicht tausende solcher Fälle ansühren? Sind nicht Tag für Tag der Wunderwerke viel geschehen? O gewiß du kannst nicht wider das hei lige Blut sein! — Und endlich haben nicht alle Her bergen durch dasselbe Nahrung und Bestand? Ist nicht unser güldner Adler fortwährend mit Wallfahrern an gefüllt? WaS sollte aus uns werden? — Mein Vater ist dem deinen schon jetzt feindlich gesinnt, er schmäht mich, wenn ich zu dir gehe. Was würde ex aber sagen, wenn er Hörle, daß bu den Willen und die Meinung deines Vaters theilst, wohl ihn zu bestärken suchst in seinem sträflichen Thun? Würde er nicht offenbar feind lich unserer Liebe gegenübertrclen? — O ich weiß es, daß dein Vater damit umgeht, das heilig- Blut zu ver tilgen, daß er schon seit langer Zeit Ratk mit seinen Freunden pflegt — aber die frevelnde Hand wird v-r- dorren, ehe sie das Heil'ge erfaßt." Laurentia schaute voll Erstaunen dem Sprecher in daS geröchelt Antlitz, sie legte demselben die Hand auf die Schulter und sagt« mit heiligem Ernst: „Se bastian! du bist unendlich gut, du hast ein unverdorbenes reines Herz und um dessentwillen liebe ich dich; aber der alle Aberglaube will nicht von dir weichen, du bist in einem Wahne befangen, der eist mit der Zeit sich lösen wird. Vertraue der liefern Ansicht des Vaters, er weiß was gut, und Böses wird er nie beginnen. Komm her, sei gut, fitze dich zu mir, und laß uns plaudern von jenen Tagen, wo wir unS zum ersten Male in Prizwalk trafen, von jenen Tagen, wo wir so unge trübt glücklich waren," Der Jüngling folgte ergriffen den Worten und lange, lang- saßen die Beiden plaudernd beisammen. Vorn im Zimmer aber hatten sich der Gäste mehre eingefunden. Es waren dort der Baccalaureus Thomas Bremer, der Eaplan Lindberg, der Schulmeister Johann Wefern und Andere. Ellefeld stand voll heiligem Feuers vor ihnen und sprach also: „Christlich und recht leben und sein, daS ist GotteS Ehre; das Reich seines SohncS Jesu Christi, suchen und «uSbreiten, und des Teufel- Witz, Ehre, Gewalt und Macht nach bestem Vermögen, aus Gottes Gnaden zu Schanden machen, das ist mein Ziel." Allhier hab' ich die größte Abgötterei, ja den leidigen Teufel selbst gefunden. Soll ich nun daSWcrk Christi aufrichlen und vermehren, muß ich des Macht und List zu Grunde richte». Wie wir aber genarrt und gemartert sind, das wis sen wir Alle — und was für Abgötterei noch immer getrieben wird, sehen wir täglich. Lasset mit Gottes Macht des Teufels Ansehen uns zerstören und die reine, geläuterte Lehre unserer Kirche rein und geläutert be wahren. Wer mit mir ist, der folge mir; wer wieder Mich ist, der ziehe zu den Kindern dec Finsternis, ich will ihn nimmer gekannt haben." Der Redner schwieg und die Zuhörer legten schwei gend ihre Hände in die Hand des Pfarrherrn und schrit ten mit demselben still zum Hause hinaus. Es war Abend geworden, man eilte zur Kirche. Der Baccalaureus und Johann Wefern setzten ein Faß mit glühenden Kohlen, welches sie aus dem Hause mit genommen, vor »em Altar nieder. Eine geisterhafte Stille herrscht«. Joachim Ellefeld nahm das Krystallgefäß in dem die drei Hostien lagen und es hoch emporhebend, warf er es mit Gewalt auf den Boden nieder, daß es zer sprang, nahm das geronnene Blut, den Gegenstand abergläubischer Verehrung, legte e« auf die Kehlen und ließ eS langsam vergehn. Schweigend umstanden die Männer »ie glühenden Kohlen, ihre Gesichter glühten im Wiedersckein der glim menden Flamme. Sie beteten. Stumm drückten sie sich die Hand, nahmen das Kohlenbecken und schritten schweigend zur Kirche hinaus. , Keine Hand war erlahmt, kein Auge erblindet, keine Zunge wurde stumm, das Blut rächte sich nicht, aber die im Wahnglauben Befangenen schrieen ihr Wehe in die Welt hinein. Die Stadt war in Aufruhr, die ge- theilte Meinung der Menge drehte zur blutigen That zu werden. Dec Amtmann der nahen Plartenburg, Caspar Welle, gab dem Domkapitel sofort Nachricht -- und in Folge dessen wurde die Verhaftung des Pfarrers Elke- seid sofort ungeordnet. Schluß. Laurentia stand in banger Ahnung am Fenster, Sebastian schlich mit bleichem Gesichte vorüber, ec wagte es nicht in das Haus zu treten. Da sprengten