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Bas Museum für vergleichende Länderkunde verfolgt den zweck, die Erdoberfläche durch bildliche Darstellungen in ihrer mannigfaltigen Gestaltung und Beschaffenheit vor Augen zu führen und dies sowohl vom topographischgeologischen Gesichtspunkte, als auch von dem anderer Disciplinen aus. Dabei kommen vor Allem solche Gegenden in Betracht, welche von allgemein naturwissenschaft lichem Interesse sind, fernen Welttheilen angehören, und daher mir Wenigen aus eigener Anschauung bekannt sein können. Man hat nun versucht, Sammlungen von solchen Bildern anzulegen, in denen der physiognomische Charakter der betreffenden Landschaft besonders scharf hervortritt, und ist bemüht gewesen, durch ein fache Vervielfältigung sehr verschiedenwerthiger Abbildungen ein billiges, aber doch lehrreiches Material für den Unterricht zu gewinnen und zur Aufstellung zu bringen. Eine derartige Sammlung von Lehrmitteln würde aber noch nicht ein Museum für vergleichende Länderkunde bilden. Ein solches soll vielmehr die fortschreitende Erforschung einzelner Gebiete zeigen und dem Geographen ein sich allmählich vervollständigendes Hilfsmittel für sein Studium werden. Die Wissenschaft soll hier die Hand des Künstlers zu Hilfe rufen, um die Ergebnisse ihrer Forschung zu. erläutern und der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Zugleich soll das Museum für vergleichende Länderkunde den angehenden Fachmann, sei er Topograph, Geolog, Ethnolog oder Botaniker, daran gemahnen, dass er es nicht unterlassen darf, die Eindrücke, die er in fremden Gegenden erhält, nach besten Kräften bildlich wiederzugeben, und ebenso soll es den Künstler, der in der glücklichen Lage ist, seine Kunst auf Reisen auszuüben, dazu anregen, dieselbe dem einen oder anderen Zweige der Naturforschung dienstbar zu machen. Das Bild allein genügt jedoch nicht; es ist nur dazu da, einer genauen Beschreibung dessen, was es dar stellen oder besonders hervorheben soll, als Unterlage zu dienen; erst in Verbindung mit einer solchen Beschreibung erwirbt es sich das Recht — gleichviel ob es ein Gemälde, eine Zeichnung, eine flüchtige Skizze oder eine Photographie ist — in das Museum aufgenommen zu werden. Im Gegensätze zu den geographischen Lehrmittelsammlungen höherer Unterrichtsanstalten, die mit leicht zu beschaffenden Vervielfältigungen vor lieb nehmen können, fordert das Museum für vergleichende Länderkunde die Original auf nähme und begnügt sich nur in Ausnahmefällen mit getreuen Nachbildungen. Das Museum für vergleichende Länderkunde soll wissenschaftlichem Material zur Heimstätte werden, das bisher ein ständiges Unterkommen nicht finden konnte; es bietet ihm seine Wände oder auch die Schränke seines Archivs dazu dar. Obwohl die Begründung solcher Museen dem reisenden Künstler ein neues und grosses Feld der Thätigkeit eröffnet, so müssen dieselben doch der Aufnahme von Werken verschlossen bleiben, in welchen die künstlerische Wirkung auf Kosten der Naturwahrheit erkauft worden ist. Da Bildersammlungen, wenn sie dem hier angedeuteten Zwecke gerecht werden sollen, sehr ausgedehnte Räumlichkeiten erfordern, so würde es nicht leicht sein, in einem und demselben Museum alle Welttheile in gleicher Vollständigkeit zur Vorführung zu bringen. Es wäre aber schon viel erreicht, wenn sich die Museen verschiedener Städte in diesem Punkte ergänzten. Das Museum für Völkerkunde zu Leipzig ist durch das Entgegenkommen des Hohen Rat he s dieser Stadt in den Stand gesetzt worden, eine Abtheilung für Länderkunde zu errichten und damit einen ersten, maassgebenden Schritt in dieser Richtung zu thun; es hat für die Verwirk lichung des Planes zunächst Amerika ins Auge gefasst, ohne sich aber auf diesen Erdtheil allein beschränken zu wollen. Die Vorführung aus dem Bereiche jenes grossen Continents beginnt allerdings nur mit einem sehr kleinen Theile desselben, mit der bildlichen und kartographischen Schilderung, der Hochländer von Ecuador und Colombia, und zwar vom geologischen Gesichtspunkte aus, indem ganz besonders die Vulkanberge beider Länder zur Anschauung gebracht werden. Gerade auf die Schöpfungen der vulkanischen Thätigkeit hinzuweisen, die in diesen Ländern in seltener Grossartigkeit auf treten, ist umsomehr gerechtfertigt, als das Studium des Vulkanismus die Grundlage aller geologischen Forschung bildet. A. Stübel.