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langt« so wenig meine Euie, wie die Murmrlthiere und Alpcnkräben meiner Concurrenten zu sehen und nur teilen reichte mir die Mildherzigkeit eine Gabe, ich war häufig dem Verhungern nahe; die Nächte war ich im Freien zuzubringerr gezwungen. Ich wollte dis auch einst im Ochs-Walde so halten, als mich eia plötzlich eiatretenber Frost und ein heftiges Schneegestöber überfielen. Letzteres dauerte dir ganze Nacht hindurch. Oh! das war eine schreckliche Nacht; es war ein fürchterlicher Traum, den ich wachend träumte. Ich bin noch heute ungewiß, ob ich meinen damaligen Zustand Schlaf oder Wachen nennen darf. Ich war vielleicht schon halb erstarrt, denn körperlichen Schmerz empfand ich spater nicht, desto thätiger war dagegen meine Einbildungskraft, desto schärfer mein« Gedanken. Ich war allerdings noch jung, aber nie Halle ich so sehr das Elend der Armulh empfunden und e kunnl, nie waren meine Entschlüsse, mich jenem Zustande zu entreißen, so fest, als gerade damals, ws jeder nächste Augenblick, jeder schärfere Wind stoß mich für immer entschlafen lassen konnte. Laß ich nicht erfror, lag vielleicht mehr an einem mir selbst unbeqreifl chen festen Willen, als an der Kraft der Jugend, die noch in dem halbverhunger ten Knaben wohnte. Aber ich war am Morgen kaum im Stande, mich und die Last des Käfigs fortzuschleppen; als ich nach mehreren Stunden das Haus eines armen Landmanns erreichte, sank ich bewußtlos zusammen." Der Banquier hielt einen Moment inne und blickte vor fich nieder, als suche er sich zu sam meln. In den Zügen seiner Zuhörer «ar Leben und Erregung zu «'kennen; di« Wangen der Braut waren geröihet und der Blick ihres Auges hing voll Theilnahme an den Lippen des Vaters. Dieser stufte endlich tief auf. ^,Jch hatte einen Samariter gefunden!" fuhr er bitter fort, „ich verfiel in ein hitziges Fieber, der Landmann und die Seinen pflegten mich, ich genas wieder. Doch als «,n freier, wenn auch dem Tode verfallener Mensch, hatte ich di« Hütte betreten, als ein Sclave erstand ich wieder von meinem dürftigen Krankenlager. Meine Eule war gestorben, vielleicht verhungert; ich ward erst unter dem Torgeben, daß ich mich noch erholen müßte, zurückbehalten, spater e,klärte man mir rund heraus, d^ß ich die mir erwiesenkn Wohlthaten abarbeiteu solle. Ein rundes Jahr ward ba,u nöthig erach tet und bei magerer Kost, über me.ne Kräfte an gestrengt, brachte ich dasselbe zu Ende. Dann konnte ich gehen, und ich ging, in Lumpen gehüllt, ohne eine« Z-Hrpfennig, dem Ziele meiner Wünsche — Paris entgegen. Ich erreichte Paris, lassen Sie mich darüber schweigen wie; genug, daß ich hier cis ehrlicher Knabe anlangte, um mir Arbeit »ad Verdienst zu suchen. Fünf schreckliche Jahre brachte ich als Lumpensammler, Essenkehrer, in Fabriken und bei den schmutzigsten Arbeiten zu; dann erst gelang es mir, bei einem wohlhabenden Waffenschmiede einen festen Dienst zu bekommen. Mein Herr war ein wohlhabender Mann; er und seine Frau behandelten mich gut, dagegen ward ich ein ganzes Jahr hindurch die Zielscheibe der gemeinen Rohheiten ihres einzigen Sohnes, eines frühreifen Taugenichts, der jenen überhaupt viel Kummer machte. Da sollte ein Ereigniß eintreten, welches meine Lage änderte und meine Zukunft bestimmte. Die Revolution in Polen war aus gebrochen, mein Herr und Andere seines Handwerks hatten sich vereinigt, den Aufständischen Waffen lieferungen zu machen, und diese auch an gewisse Mittelspersonen abgesendek. Fast alle Theilnehmer halten ihr Vermögen in diese Unternehmung gesteckt, die mir der Unterdrückung des Aufstandes zugleich scheitern zu müssen schien. Alle waren über den wahrscheinlichen Verlust emsetzt, doch Niemand wußte Roth, wie demselben vorzubeugen sein könne. Da erbot ich mich, mit Vollmachten ausgerüstet, an Ort und Stelle zu gehen, um zu sehen, waS zu retten sei. Man schenkte mir trotz meiner Ju gend das nöthige Vertrauen, ich ging — und war glücklich, denn ich rettete meinen Auftraggebern nicht allein ihr« Capitalien, sondern auch die auS« bedungenen Vortheste. Der Empfang bei meiner Rückkehr war herzlich, mem Herr umarmte mich, und als mein Quälgeist diesen Erguß der Em pfindungen des Vaters für mich durch Umarmung einiger Fahnen parodirte, ward zugleich von den Eltern unsere zukünftige Stellung zu einander be stimmt. Mein Geschick hatte sich gewendet, und als der Sohu meines Herrn seinen Ausschweifungen erlag, adoptirten mich desftn Aeltern und ich beerbte sie später. Sie waren die Gründer meines Glückes und gesegnet sei ihr Andenken!" Der Banquier schwieg einige Cecunden, daun hob ec lebhaft den Kopf. „Mit dem ererbten Capital ward ich Theil- nehmcr eines Weckselgeschäfts," fuhr er fort, „und seit der Zeit kennt mich Paris; das Glück blieb mir treu, alle meine spätem Unternehmungen hat ten günstigen Ersolg, selbst meine Ehe war ein Glücksloos in dieser launenhaften Lotterie, und der heutige Tag soll diesem Glücke die Kron« aufsetzen,