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Die Abbrücke bei Meißen nach der Sprengung. (Mit Abbildung.) Um 11^ Uhr in der Nacht vom 15. zum 16. Juni 1866, Freitag zum Sonnabend, wurde von hiesiger Ellbrücke der zweite Pfeiler von Vorbrücke her gesprengt, dessen Ueberreste unser Bild in der weiten Lücke der sonst so belebten Verkehrsstraße zeigt. Schon im vorhergehenden Monat Mai war von einer zu diesem Zwecke hierher geschickten Pion- nierabtheilung in den Pfeiler eine SprengungSmine eingearbeitet und angelegt worden, um durch Zer störung eines TheileS der Brücke die Verbindung zwischen beiden Elbufern aufzuheben für den Fall, daß militärische Rücksichten dies nöthig machen sollten. In Folge der am 14. Juni über den Moblli- strungSantrag OeüerreichS stattgefundenen Abstim mung in der Bundesversammlung zu Frankfurt hatte Preußen am 15. an Sachsen den Krieg erklärt und eS stand der Einmarsch preußischer Truppen zu er warten. AuS diesem Grunde war am Freitag Nach mittage der Befehl an daS hiesige Truppen-Com- mando, die Befehlshaber des 12. Infanterie-Ba taillons und der Pionnierabthcilung, gelangt, die in dem Brückenpfeiler angebrachte Mine mit der erforderlichen Pulverladung — dem Vernehmen nach 3 Centner — zu besetzen und jeden Augenblick der weiteren Ordre zur Sprengung der Brücke gewärtig zu sein. Die in der Stadt einquartiert gewesenen Truppen vom 12. Bataillon verließen sofort die Stadt und begaben sich mit ihren Effecten auf das rechte Elbufer, von wo sie nach 'Mitternacht nach Dresden zu weiter gezogen sind. Nach dem AuS- marsche aus der Stadt wurde die Brücke militärisch besetzt und dergestalt gesperrt, daß nur diejenigen Personen und Wagen noch passircn durften, welche, um nach Hause zu gelangen, über die Elbe mußten. Mit eintrctender Dunkelheit wurde der Uekergang über die Brücke mit Ausnahme dringender Noth- fälle gänzlich untersagt, da jeden Augenblick der Te legraph den Befehl zur Sprengung bringen konnte. Mit banger Erwartung sahen die Bewohner der Stadt sowohl alS der jenseitigen Gemeinden diesem Augenblicke entgegen, der den gewohnten regen Verkehr zwischen beiden Ufern und den Personen- und Güterstrom zwischen dem linken Ufer und dem Bahnhofe auf laüge Zeit unterbrechen und min destens sehr erschweren sollte. Zahlreiche Gruppen sammelten sich an beiden Elbufern und auf den benachbarten Höhen, von wo aus die Brücke über sehen werden kann. Die Bewohner der zunächst an der Brücke liegenden Häuser, namentlich die deS rechten UferS, denen der minirte Pfeiler viel näher ist, hoben die Fenster auS und schafften zum Theil die Möbeln aus den Vorderstuben, weil sie fürch teten, daß die Explosion der Sprengung Stein» und Balkentrümmer umher'chleudern würde. . Sie 'sowohl alS die zahlreich ausharrenden Zuschauer, welche das großartige Schauspiel einer himmelan- stcigenden Feuergarbe erwarteten, wurden jedoch, jene in ihren Befürchtungen, diese in ihrer Erwar tung, getäuscht. Elf Uhr 40 Minuten war der Befehl zur Entzündung der Mine auS Dresden cingetroffen; wenige Minuten darauf erfolgte mit kaum merklicher Lichterscheinung ein dumpf dröh nender und trotz seiner Stärke rzur in der Nähe hörbarer Schlag, kein Stein- oder Splitterhagel erhob sich über dem Pfeiler, der nicht sichtbar wankte, und langsam glitten die beiden auf ihm ruhenden Holzbogen an seinen Seiten herab in den Strom. Das Wer? der Zerstörung eines bedeu tenden Bauwerkes war durch die Kunst der Minirer vollständig und ohne anderweiten Schaden anzu richten ausgeführt. Die ganze ungeheure Gewalt' deS starken PulveksaheS war geschickt nach innen und unten gerichtet worden. Für den Augenblick deckte die Nacht die Ruine und ließ der Schlaf die Sorge vergessen, welche die hcimkehrenden Zuschauer für die kommenden Tage erfüllte. Erst daS wiederkchrcnde Tageslicht zeigte die weite Lücke, welche nun zwischen beiden Stromufern gähnt; der Telegraphendraht und die Gasleitung waren zerrissen und die Trümmer der herabgestürzten, zwar gebrochenen, aber durch Band und Nieten fest zusammenhaltenden Bögen sperrten die beiden einzigen Stromwege der Schifffahrt. Der erste, im Heimathlande spielende, Act eines Dramas war nun beendet, eineS DramaS, dessen blutiger, verwüstender Fortgang vor unsern erschrockenen Blicken sich entwickelt hat und dessen Schlußakte wir, während diese Zeilen niedergeschric- ben werden, mit Sorge und bangen Befürchtungen entgegensehen. Jetzt können wir wenigstens ahnen, was das Schlimmste sei, das unS betreffen kann, am 16. Juni aber hielt die Erwartung der noch verhüllten Zukunft die Gemüther in der aufregend sten Spannung, und führte die Bilder schwerer Drangsale in die Erinnerung zurück, welche in vergangenen Zeiten der gleichen Zerstörung deS die Stromufer verknüpfenden VerkehrsbandeS grfolg Reißner Kalender F