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noch einmal und lag dann lautlos und bleich und langgestreckt vor^Ludwig's Füßen. Mieder! kreischte Sina, die sich umgewaüdt und schaudernd das Entsetzliche anaesebcn hatte, du hast dein einzig Kind erschlagen! Sic sprang aus das Opfer zu und schloß es wimmernd in ih^e Arme. ' Da flirrte rS dem Elenden vor den Augen und schwirrte ihm im Ohr; mit einem lauten Aufschrei der Verzweiflung stürzte er hinaus, auf den Kana, die Treppe hinunter, auf die Straße, fort, kort! Ein keiner Regen schlug ihm ins Gesicht und die Abendlust war kalt, aber ibn kübfte sie nicht. Ein Feuermeer kochte in seinem Buten, brartffe und kochte in seinen Adern und beflügelte seine Glieder zu athemlosem Lause. Wohin? Er wußte es nicht, er wußte nur: 'n den Lod. Wie ein Blitzen zog sein ganzes Leben an ihm vorüber; er sah sich als Knaben, als Jüngling und Mann immer gehetzt von dieser unseligen Leidenschaft lichkeit, oft vom Gipfel deS GlückeS und der Freude hinab in Furcht, Angst und Beschämung gestürzt, ost nur ein Haar breit am tiefsten Abgrunde vorbeigewirbelt, und jetzt — ja, so mußte cs kommen, knirschte er, das war noch übrig! Mein armcS, armes Kind! Meine Lina! — Ob sie mich köpfen? O nein, sie sind jetzt hübsch milde, * sie sperren mich nur ein — vielleicht in ein Toll baus! Aber,... er biß sich auf die Lippen und sprach seinen Gedanken nickt aus. Alles Glück meines Lebens, dreier Leben in Einem Augen blicke vernichtet! Die Banknote ist nicht so schnell verbrannt, als meine Seligkeit zertrümmert wor den ist! Und da liegt die Stadt und da rauschen die Bäume, als wäre nichts geschehen! Herr Gott, ich werde wahnsinnig! So ging's durch einander in seinem Kopfe, als er in Fieberhaft den Berg hinan eilte. Bald meinte er, er hörte: Mörder, Mörder! hinter sich her schreien, und sprang vor einem Baume wie vor einem Schergen zurück; bald schwammen sanftere Worte in der Luft: Ludwig, Ludwig! glaubte er die liebe Stimme rufen zu hören, aber strn, fern, so daß der Ton verhallte und erstarb, ehe er ihn fassen konnte. Und log nickt wirklich Alles, Alles, Liebe und Leben, unendlich weit hinter ihm? Arnold Sckmied'S Apostelgestalt erhob sich vor seiner Seele, aber er zürnte ihr, er hätte sie zerreißen mögen, weil jener b-soß, nws ihm fehlte. Und dann sah er wieder Lulu, bleich, starr in seinem Blute' vor dem Kamin. So hatte er sein Ziel, nach dem er im dunkeln Triebe gestrebt, endlich keuchend erreicht: er stand auf dem Gipfel des Berges, am Rande des un geheuren Steinbruches. Noch einen irren Blick warf er aus die ferne Stadt, deren Lickter durch das Dunkel flimmerten, nach den eiligen Wolken deS Himmels, durch die nur ein matter Monden schimmer drang, dann trat er einige Schritte zu rück und — Nein, er stürzte sich nicht in die gähnende Klukt. Ein Gedanke schoß wie ein Wetterstradl durch sein umdüstertes Haupt: ES ist der Teufel, hatte er gestern hier zu seinem Weibe gesagt, der Teufel, der uns hinab in die Tiefe lockt! Und mahnend wies ihn Arnold Sckmied'S Propheten gestalt auf den hin, der die Hölle überwunden hat. Er hielt schaudernd inne. Wie leicht wär'S, dachte er, aller Qualen Ende hier zu suchen! Ein Sprung, ein Sturz von wenigen Secunden! Nein, ich will nicht! Herr, hab' Erbarmen mit mir! Ick will tragen, wa§ ich verdient. Sckmack, Gesängniß, Haß und Verachtung! Ick will ver suchen, mein Kind zu überleben und durck Leben zu büßen! Herr, gieb mir Kraft! Ich will nicht nochmals thun, was unwiderruflich, waS unheil bar ist! Erscköpst sank er auf die Bank und rang die Hände und betete und betete und rang mit sich selber und siegte. Und nach dem Sturme kam eine wunderbare Rübe über ibn. Er sah sick in der ZücktlingS- jacke, von Allen gemieden, von Lina -- nein, das war zu schrecklich! er konnte es nickt ausdenken. Aber dennoch fühlte er. so schwach und unglücklich er auch war, daß er jetzt endlich in Wahrheit die tückische Leidenschaft besiegt, daß er aus ewig ihren Bann gebrochen hatte, daß er auf dem rechten Wege war. Da scholl wieder «in Laut durch die Luft — träumt er? Klingen seine Ohren? Nein, näher und deutlicher, im sDinde schwimmt der Schall: Ludwig! Ludwig! Lina! ringt eS sick auS seiner Brust; da nahen Sckritte, da rausckt es im Gebüsche, da umschlingt ibn weinend, athemlos, schluchzend und jubelnd das treue Weib. Lulu lebt! stößt sie hervor — Gott sei Dank, daß ich nickt zu spät kam! Ich dachte eS mir wohl! Er konnte sein Glück ka«m fassen: der plötz liche Uebergang vom tiefsten Elende zum verlorenen Paradiese war zu mächtig für ihn. Zweimal mußte