Volltext Seite (XML)
Ich verstehe Sie nicht ganz, sagte der leicht erregte junge Mann, aber, indem er die Hand seines Freundes ergriff, ich gelobe Ihnen...» Nicht doch, geloben Sie im Stillen dem Herrn.... Nein, laut und von Herzen t Erstens, daß ich meinen vcrsiuchlen — bitte um Verzeihung! — meinen Jähzorn bewältigen, und dann daß ich fleißig zu Ihrem Pastor hingehen will, ob eS mir aurv gelinge, Ihre Selbstbeherrschung zu erwerben. Völlig ausgesöhnk trennten sie sich, und zweimal gewarnt an Einem Tage, ging der heiß blütige Mann mit den besten Vorsätze» nach Hause. ökeclsu anoleostoa ygbe ich diese Schilderung überschrieben, das ist des Breiteren verdolmetscht: Möge nichts geschehen, was unheilbar ist, was nicht gesühnt, nicht wieder gutgemacht werden kann, jo daß es ist, als wär' es nie geschehen. Zwar ohne Wirkung bleibt nicht das leiseste Wort, und waS der ehernen Vergangenheit e'nmal ver fallen ist, daS ringt keine Götkermacht ihr wieder ab. Loch über Geringes deckt die Liebe oder die Gleichgültigkeit ihren hüllenden Mantel, und der leichte Sinn, Vie köstliche Gabe der Vergeßlichkeit, löscht seine Züge bis zum Erblassen aus. Ich rede von größeren Schaden, und Anlaß zu ihnen dielet sich unseren Leidenschaften allerorten. Wer hat noch nie einen gewitterschwülen Augenblick erlebt, wv ein einziges böseS Wort hingereichl hätte, sein Lebensglück zu zerstören, einen treuen Vater unheilbar zu verletzen, einen Freund auf ewig zurückzustvßen, die Geliebte tödtlich zu ver wunden? Wem hat noch nie in heißer Jugend die Hand zum Schlage gezuckt, und sollte der Schlag die Hand selber gekostet Haben und den Hals dazu? Wir gehen durch's Leben wie der Wanderer über die Schnee-Alpen: ein unbedachtes Wort, ein Fußtritt kann die Lawine lösen, die, anschwellend, unser Liebstes begräbt. Der Schwer punkt unseres Gtückes ist leicht verrückbar, wir Ichaukeln über dem Abgrunde wie ein Knabe im Kübel auf dem Weiher: eine falsche Bewegung, und die Tiefe verschlingt uns. Wir tragen unsere Leidenschaften wie eine Fackel durch Pulverhalien: zitternd, denn wir kennen die Gefahr, aber auch trotzig, denn wir fühlen unsere Macht, und stiegen, wenn'S seil» muß, grimmig mit in die Luft. Wohl dem Glücklichen, den Goll in gefährlicher Stunde hält! Wohl dem Besonnenen, der schweigen, der warten kann! Aber laßt uns den Naschen nicht verdammen, und sollt' es ein Todlschläger sein: laßt uns hoffen, daß, was seiner Verzweiflung snoLeslon erscheint, für den Allerbarmer noch' ein siceitan ist, und Gott danken, daß er unk oewahrt. Am nächsten Abende pünktlich um 6 Uhr gelangte die Summe von tausend Thalern in Banknoten in Ludwig's Hände. Er ließ die Astral-Lampe anzünden und schrieb sogleich den Begleitbrief, mit welchem er sie an die Behörde einsenden wollte. Lina war eine Weile im Schlafzimmer beschäftigt und Lulu hüpfte, munter spielend, umher, ohne daß fein Vater sich dadurch stören ließ. Es ist etwas ganz Anderes, ob fremde Kinder neben uns lärmen, oder ob unser eigener, einziger Sohn uns fröhlich umtanzt; ob wir in peinliche, trockene Arbeiten vertieft, oder leicht alhmend mit der Besiegelung unseres Glückes beschäftigt. sind. Das Schreiben war fertig; er ließ cs noch eben trocknen und sah sich indessen nach Petschaft und Siegellack um, denn das kost bare Häuflein dünner Papiere, welches da so un scheinbar auf dem Tische lag, mußte vorsichtig eingepackt «erden Willst du mir wohl dein Wachslicht einmal bringen, liebe Frau? Ich gebrauch's selber noch, aber wir haben ihrer ja zwei, sagte Lma lächelnd, indem sie aus dem Schlafzimmer trat. Sie setzte die frisch an gezündete Kerze auf den Tisch uäid ging bann zu einem Wandschranke, um verschiedene aus der Kammer geholte Gegenstände hinein zu lfgen. Ich will mir doch ein Evuvcrt von stärkerem Papier schneiden, meinte Ludwig; eins von Lein wand hab' ich leider nicht hier und die deinigen sind mir zu zart, Wo ist das eiserne Lineal? Eben noch ist Lulu darauf hcrumgeritten, vielleicht liegt's im Schlafzimmer, warte! Nein, bleib' nur, ich soll's schon finden. Er ging selbst in die Kammer und entdeckte, da Lina's Licht daselbst noch brannte, bas Gesuchte bald. Als er m's Wohnzimmer zurückkam, stand' Lina noch, mit dem Rücken dem Tische zugcwen- bet, am Schranke; Lulu aber war auf einen Stuhl geklettert, hatte sich der feinen Papierchen bemächtigt und ließ eben wieder eine Banknote m Flammen und Rauch aufgehen. Da fuhr der schon so oft verfluchte Teufel mit zuckender Gewalt in des unglücklichen Vaters Herz; er hob zornentbrannt den Arm, klirrend flog die Lampe in Stücke und, vom schweren Lineal getroffen, taumelte daS arme Kind zu Boden. Aus einer klaffenden Kopfwunde strömte daö rothe Blut über seine Wangen, es zuckte