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Mein lieber Heil Schulze, erwiederte der Alte, eS thut mir leid.... Ludwig warf schon wieder den Kopf in die Höhe. Daß Sie trotz Ihrer Worte tausend Thaler für eine Kleinigkeit ansehcn, daß Sie — enl- schuldigen Sie meine Offenheit - so im Hand, umdrehen von der ganzen Summe sprechen. Sie haben Sich doch schon lange nach einer ähnli chen Stelle umgesehen, Haven Sie Venn nie an. die uothwendigen Bedingungen gedacht? Haben Sie vou Ihrer hiesigen, doch imme-hin anstän digen Besoldung gar nichts gespart? Gespart? Bon den fünfhundert Lhalern noch sparen? fragte Ludwig ganz verwundert. 8s fällt ja auch wohl nebenbei noch da- Eine ober Andere ab — wenn Sie jährlich nur fünfundzwanzig Thaler auf die hohe Kante ge legt hätten — sehen Sie, daS machte Muth, Ihnen und Anderen. Sic wissen nicht, wie theuer das Leben ist; aber wen» Sie Bedenken tragen.... Angenommen — was dann? Dann bleibt mir nichts übrig, als mich Ihnen gehorsamst zu empfehlen. Sie haben Aussicht, die Summe irgendwo anders zu erhalten? Nein. Ihre Freunde, Ihre Familie.... Herr Schmied, Sie wissen so gut, wie ich selber, daß ich durch meine Herrath mit meinen Verwandten zerfallen, durch dies und Jenes mit meinen hiesigen Vorgesetzten aus gekannten Fuß gekommen brn. Nie hab' ich mich besonders an solche herangedrängt, die reicher sind, als ich. Auf Sie allein hatte ich meine Hoffnung gesetzt, in der Voraussetzung, Sie würden die hülsreiche Theilnahme die Sie bekanntlich in reichem Maße Juden und Heiden, Sträflingen und Gefallenen zuwenden, auch in etwa auf den Sohn Ihres alten Nachbars, auf Ihr Pathenkind auSdehnen. ES scheint, daß ich derselben nicht würdig be funden werde. Der Alte schüttelte schmerzlich lächelnd das greise Haupt. Eie sollten mich doch besser ken nen! Der bitteren Worte hätte r- nicht" bedurft, nur einiger Ruhe. Es versteht sich ja von selbst, daß ich Ihnen behülflich bin. Wann müssen Sie das Geld haben? Ludwig ergriff beschämt seine Hand, — Morgen schon, wenn'» angeht. Morgen Abend ist e«, so der Herr will, am diese Zeit iu Ihn» Händen. Und wann ziehen Sw bin? ' Am Ersten schon. Der fällt nun leider auf einen Sonntag, und da geht'» nicht gar. Erlau ben Sie, lieber Herr, da gebt'« gar nicht. Sechs Lage sollst du arbeiten, aber am siebenten Tage ist der Labbatd des Herrn, deines Gölte», da «sollst du keine Werke thun. über Sie sei'st haben doch seiner Zeit manches Recept am Sonntage gemacht, sagte Ludwig lächelnd. Das ist wohl nur ein Scherz; Sie wissen ja, daß Werke der Noth und der Liebe immer erlaubt sind. Versteht sich, es war ein dummer Scherz, entgegnete Ludwig, und ich selbst werde erst am Montage meinen Umzug bewerkstelligen. Und nun nochmal« meinen herzlichen Dank für Ihre Freundlichkeit! ' Ich möchte gern mehr für Sie thun, lieber Freund, wenn Sie nur wollten. Nun kommt'- doch noch, dachte Ludwig, und cs kam. ES thut mir so leid, daß ich Sie seit lan ger Zeit nie mehr im Hause GoiteS sehe. Haben Sie mir nicht selbst schon gesagt, verehrter Herr Schmied, daß die Religion nicht im Kirchengehen bestände, -aß man ein guter Christ sein könnte, ohne sich zu jeder Rede eine» jeden Predigers zu drängen? Scher,en Sie wieder, oder verstehen Tie wirklich meine Aeußerungen falsch? Ja, ich habe so gesprochen, aber nur um lieblose Urtheile ab- zu wehren, nicht um zum Verlassen derVersamm- lungin der Gläubigen auszufordern. Wenn ich selbst mit einigen Herren Pastoren nicht ganz einverstanden' bin, so trenne ich mich deßhalb doch von der Gemeinde nicht. Die Heilen sind mir zu gelehrt, sie verbrämen vielleicht und ver, zieren dii. Einfalt de» Wortes Gotte«, aber sie predigen doch da- Wort. ES ist wahr, ich suche mit einigen Freunden noch besondere Erbauung, und man verdenkt uns dies. Sie dagegen finde ich nicht in der Kirche und auch iu unfern Bi belstunden nicht, und mit Wehmuth erinnere ich mich der Zeil, wo Sie ander» standen. Ludwig schwankte zwischen dem Bedürfnisse, sich zu verantworten, und dem Bedenken, den alten Herrn zu beleidigen; er bezwang sich und schwieg. Ich bin Ihrem Schicksale immer mit Thell- nahme gefolgt, ich habe Sie auf betendem Her zen getragen -