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Meden Anekeston. Eine Eizählung »on Wilhelm Fischer. Endlich! rief der junge Stadtschreiber Schulze, indem er aufgeregt ins Wohnzimmer stürzte und einen Brief über seinem Haupte sckwang. Hurrab! Lina, seine Fran, verstand ibn sofort. Ist'- wirklich wahr, Ludwig? Da, lies selber; ich bin zum Verwalter in Holthausen ernannt: achthundert Thaler Gehalt, geräumige Dienstwohnung und freies Holz und Licht — was weiß ich? Freien Tabak sogar, wenn ich nicht rauche! In seiner Freude wiederholte er der alten Witz. Lina hörte es kaum; sie flog selig dem theuren Manue in die Arme, und er drückte fie herzhaft an sich. Papa, hast du mir auch 'was mitgebracht? rief das dreijährige Söhnlein und faßte den Rock schoß des Vaters, um auch Theil an der allge meinen Freude zu haben. Nein, Lulu — und dabei. hoh er das Kind iw Schwünge hock tu die Luft, daß es in Be klemmung und doch voll Wonne mit leuchtenden Augen laut athmete, während die schwarzen, vom Vater ererbten Haare lieblich um das frische Ge« fichtchen flatterten —, nein, Lulu! Aber bald machen wir eine große Reise, im Wagen, weißt du? Pferdchen voran, ein Schimmel.... Ein Rappe, ein Fuch» und ein Scheck, fiel der Knabe ein und war getröstet. Ludwig setzte ihn behutsam nieder und wandte fick wieder zu seiner Frau. Sie hatten noch viel mit einander zu besprechen. Jetzt soll ein ande.es Leben anfangen, liebes Kind, die Jahre der Entbehrung find vorbei. Ich bad' mich oft genug geärgert, daß wir un» in Allem so behelfen mußten. Hier da« Wohnzimmer und gleich daneben die Kammer, unten die Küche und oben ein Dachzimmerchen für das Mädchen, das war die ganze Herrlichkeit. Und wir haben doch schöne Tage hier verlebt, sagte sie sanft. Wie wär'S anders möglich mit dir, du liebe-, bescheidene» Mäuschen! Aber besser kst besser. Du warst allerdings an größere Räume gewohnt. Und überhaupt an freie Bewegung. Ich kann'« nun einmal nicht leiden, wenn man jeden Groschen vor dem AuSgeben dreimal berumdrrhen, wenn man auch b im bescheidensten Wuniche, ja, bet der Empfindung eine» wirklichen Mangels immer fragen muß: Aber kostet re auch nicht zn viel? Ich bin gewiß kein Verschwender, aber da beengt mich; diese ewigen kleinlichen Sorgen und Bedenklichkeiten widern mich an. Zu Hause war's anderS, und mein Vater bättp mir zu diesem Ge- schmacke nur auch ein entsprechendes Vermögen hin terlassen sollen. Nein, es ist mir ost schwül hier geworden — heut' darf ick'S ja einmal sagen, da eS am längsten gedauert hat. Und doch haben wir gethau, was wir konnten. Er sah sich in der Stnbe um, die mit offe nem Heerde, Teppich unter dem Tische und säubern Möbeln allerdings den Eindruck einer schlichten Vornehmheit machte. Ich kann in keinem schiefen Zimmer wobnen, kein Bett, ja, keine Wiege in der Stube dulden, keinen Kleider- und keinen Küchenschrank. Hättest du nicht das arme katholische Mäd chen genommen.... Er ließ ste nicht au-reden. Lina, das war dir nickt ernst, aber sag' auch im Scherz derglei chen nicht. Doch — und sein ganzes Gesicht lachte, als er ibr die Hand reichte — und mit dir zög' ick in einen Kubstall, in ein Zelt, in einen Kirmeßwagen hinein. Aber was ist daS, fuhr er in einem ganz anderen Tone fort, du hast putzen lassen und doch wieder kein Feuer an? Er stampfte zornig auf einen noch feuchten Fleck. Seine Frau war an diese raschen Ueber- gänge schon gewohnt. Ick dacht« nickt, daß du so früh gekommen wärst, und die FrühlingSluft.... Unsinn! Geht'S mir denn um mich? Wenn der Junge krank würde, oder du? Er riß ungeduldig am Schellenzuge. Ein für alle Mal: wenn gescheuert wird, wird auch gefeuert! Da« reimt sich sogar, setzte er hinzu und lachte schon wieder. Die Magd erschien uud beizte ein; Lulu sah vergnügt den spielenden Flämmchen zu. Seine El tern nahmen inzwischen da« große Thema wieder auf. Aber wie stebt'S denn mit der Taution? fragte plötzlich Lina und beide wurden ernst. Warum erinnerst du mich heute daran? sagte er halb ärgerlich; verdirb üu« doch die erste Freude nicht. Ja, da» ist der wunde Fleck. Tausend Thaler, drunter geht'« nicht. Und so bald! Am Ersten soll ick schon eintreten, und da« Geld muß vorher beschafft werden. Ach, und woher willst du'S üebmcn? Nun »euer Kalender <L