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geschnitten und von dem Fleische und Blute ihr -eben gefristet. Die 18jährige Frau des CapitänS batte sich mit eisernem Willen ans Leben geklam mert, um es ihrem 6 Monate alten Kinde, das sie in Hust zurückgelasseu, nm ihren Mann aus der „Lustfahrt" nach Hamburg zu begleiten, zu erhalten. Sie erholte sich am ersten mit; von den Uebrigen, eS waren nur Mannschaften, meist lauter Engländer, hatten einige schon d-n Brand in den Füßen, 's daß sie trotz glücklicher Rettung doch einem elenden Tode entgegen geben. — Vielleicht hätte man sie eher erlösen können, wenn nicht die Insulaner mehr der Baumwolle wegen, als der Menschen ihr Lehen wagten. Für das Bergen der Strandgüter zeigte man sich tbä- tiger, wagte mehr, "als für das Leben seiner Mit menschen. Und warum ? die Negierung zahlt dem Lebens retter pro Person 6 Thlr., sind deren mehrere gerettet, nur 3 Thlr.? wie viel einträglicher sind nun die gefüllten Ballen nnd Tonnen! — ES ist unglaublich, daß an der Fanzen han növerschen Küste, der gefährlichsten der Nordsee durch ihre Riffe und Sandbänke, noch lange nicht genua humane Einrichtungen, um die unzähligen Schiffbrüche zu verhindern, getroffen find. „Kein Geld dafür," heißt die Entschuldigung; einer, lei der gerade immer dort zu hörenden Phrase, wo eS gilt, etwas Rechtes für der Menschheit Wohl zu schaffen. Für Instrumente, neue Erfindungen, die Menschen in größten Massen zu schlachten, da bat man stets Geld. — Im Monate Januar 1866 strandeten allein 395 Schiffe und wie viele in den übrigen Meeren, wie viel überhaupt in der bekannten Welt? — Ja, da möchte man alles Mitleid sparen und muß es überhaupt ja so zersplittern im Leben. Aber ein Geschick, daß sich so zu sagen, vor un fern Augen abspinnt, packt uns doch noch ganz anders, als wenn wir davon nur von weit her bören. — Eine Episode dieses Schiffbruchs wollen wir hier noch mittbeilen, um so mehr als in ihr wohl daS Scheußlichste von Allem dargelegt wird. Ein Schleswiger, der einzige überlebende Passa gier, hatte sich an einen andern jungen Deutschen, der ihm unterwegs sehr lieb geworden war, eng angcschlossen. In der letzten Noch saßen beide mit den englischen Matrosen auf einer Stange. Die Engländer stießen und drängten sie, so viel sie konnten, so daß sich beide am Maste höher hinauf arbeiten und elendiglich anklammern muß ten. Berührten, ermüdet vom Festhalten, die Beine die Köpfe der Engländer, so wurden die Aermsten mit Stockschlägen traktirt. Nicht einmal einen Tropfen Negenwassrr, welches die Engländer in ihren Hüten aufsingen, reichten-sie trotz aller Bit, ten den armen Deutschen. — So waren denn die Unglücklichen gezwungen am nassen Maste zu sau gen, um nur in etwas ihren brennenden Durst zu löschen. Gar bald fing der junge Deutsche an zu deliriren; in einzeluen lichten Augenblicken erzählte er dem Schleswiger: „er habe vor Jah ren seine Heimath, den Harz, verlassen, um nach Australien zu geben, dort habe er gedarbt, gehungert, dann verdient und nun endlich von Heimweh und Sehnsucht getrieben, von Aeltcrn und Geschwistern erwartet, müsse er im Angesichte der vaterländischen Küste so elendiglich enden. Dann hatte er dem Schleswiger, der ein armer Steuermann war nnd ihn brüderlich in jener entsetzlichen Zeit nach Kräf ten unterstützte, noch gesagt: „er trage seine Baar, schäft, etwa 3000 Tblr., in Werthpapieren bei sich, die solle er für seine Gutthat an fick nehmen." Worauf jener geantwortet: „Wir müssen Alle zu Grunde gehn, Geld bat keinen Wertb mehr, weder für dich, noch mich." Nur wenig« Stunden, ehe das rettende Boot kam, starb der Aermste in seines Freundes Arm. — O Menschenschicksal'. — Als er todt war, ließ der Schleswiger ihn los; die Engländer aber fingen die Leiche auf und bedeckten sie mit einem Stück Segel, um sie dem Schleswiger zu verbergen, beraubten dieselbe und übergaben sie alsdann dem Meere. Dieselben Men schen, die nach den Höllenqualen, die sie erduldet, zu stumpf und ohnmächtig waren, um bei ihrer Rettung auch nur Sin Zeichen ihrer Freude von sich zu geben, batten doch noch in sich die Leiden schaft der Habsucht, der Unehrlichkeit in vollstem Leben. — Auf festem Lande vor Gericht gestellt, hatten sie selbst den Richter, der bei dieser Gele genheit über sie urtbeilen mußte, erschüttert. ES muß auch jedes Menschenberz bis ins Innerste er schüttern: Menschen vor sich zu seben, die sogleich nach solcher Gefahr mit dem Anstrich von Gentle man bereit waren, falsche Eide zu leisten und den Raub zu verheimlichen, wenn die Aussagen des Schleswigers, der ihn genau gesehen, nicht so bestimmt gewesen wären. — Ein großer Tbeil des Geldes ward ihnen wieder abgenommen und den Hinterlassenen zügesandt. Wie schmerzlich muß das arme Vaterherz geblutet, wie daS Mutterauge geweint haben, als statt des ersehnten Sohnes, kaltes Geld, erst durch gerichtliches Einschreiten den Räubern entrissen, zu ihnen gelaugte.