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Kirchenliedes zweifeln sollte, der vieltausrndstimmige Thor, der hier die Ehre Gottes mit beredter Stimme Predigte, mußte Jeden wenigstens ahnen lassen, welchen Schatz wir in unserm Kirchenliede besitzen. Hierauf folgte die Festrede des Hrn. Prof. 0. Fricke, in welcher derselbe den Werth, die Kraft und die Wirkung des deutschen LiedeS darlegte, sowie die Zukunft desselben beleuchtete. Wir theilen hier nur noch den Schluß dieser Rede mit. „Magst du immer gegründet bleiben, immer tiefer gründen in reiner, keuscher Begeisterung für da- deutsche Lied und seine edle Kunst, in Gottes furcht und reiner Sitte, in Ehrfurcht vor Gesetz, Vor göttlichem und menschlichem Rechte, in heiligem Zorne gegen jeden Sinn, der Gewalt proklamirt und vor Recht zu setzen strebt, in unverlöschlichcr Begeisterung für unseres großen Vaterlandes Zu kunft und Einigung. Und sollte — Gott wird es verhüten — noch einmal diese überall sich regende Begeisterung deutsch-nationalen Strebens, trotz sei ner Achtung vor Gesetz und Recht, mit Gewalt auf Zeit zu Boden geworfen werden: Dann, deut sche Sänger, laßt uns thun, wie eS nach alter, sinntiefer Sage die Cäcilie, der Orgel Schutzpatro nin, einst gethan, da sie um ihres Glaubens willen zum Tode geführt werde» sollte, laßt unsre Lieder uns dann anstimmen und fortsingen durch alle deutsche Gauen hin, und braucht'- auch Zeit, es ist dennoch gewiß: die Unteideücker unsres naiiona- ! len Glaubens werden bekehrt sich davon schleichen, wie der Henker der Cäcilie einst vor ihren heiligen Liedern. In diesem Sinne und Geiste rufe auch ich hinein in diesen großen Sängerkreis: „Herz und Lied frisch, frei, gesund, Wahr' dir's Gott, du deutscher Sängerbund!" Amen." DaS eigentliche Fcstconccrt eröffnete Mendelssohn'- ,.Festgesang an die Künstler." Diese, sowie über haupt sämmtliche andere Composilionen wurden mit größter Präcifion vorgetragcn und jede mit einem gewaltigen Beifallssturm ausgenommen. Besonder- ausgezeichnet waren auch die Leistungen de- Or chesters und hat die Militärmustk bei dieser Ge legenheit glänzende Beweise ihrer Tüchtigkeit gegeben und ganz wesentlich zum Gelingen der Aufführung beigetragen. Die Aufführung hatte gegen 8 Uhr ihr Ende erreicht; die hohen Herrschaften verließen jedoch schon gegen 7 Uhr unter lebhaften Hochs die Halle. Nach dem Conccrte wurde die Halle geräumt. Nasch war mittelst der getroffenen zweckmäßigen Einrichtung der Zuhörerbänk« ein Theil derselben in Tische verwandelt, aus denen die sämmtlichen Standarten aufgesteckt wurden. Unter ihnen sam melten sich Publikum und Sänger, soweit letztere nicht durch GesangSvorträge in Anspruch genom men waren, zum ersten geselligen, durch Instrumen tal- und Vocalloncert gewürzten Sängerabend, für dessen fröhliche- Leben selbst der weite Raum der Halle mitunter zu eng werden zu wollen schien. Montag, den 24. Juli. MorgcnS 6 Uhr durchzog — wie auch am Sonntage — festlicher Sängergruß die Straßen der Stadt. Nach 7 Uhr fand in der Festhalte die Probe zu der für Nachmittags 6 Uhr angesetzten zweiten Hauptaufführung statt. Mit ungeduldiger Erwartung sah man dem Weiteren entgegen. Gleichsam der Gipfelpunkt de- ganzen Feste-, der große Fcstzug sollte an diesem Tage staitfinden. AuS weiter Entfernung führte der Dampfwagen Schaulustige der Residenz zu, und ebenso strömte in dichten Strömen, zu Fuß und zu Wagen, die Bevölkerung der Umgegend vom frühen Morgen an zum Thore herein. Wel ches Wogen und Drängen in den Straßen schon stundenlang vor dem Festzuge. Boten doch auch die Straßen in ihren Dekorationen noch einen reicheren und prachtvolleren Anblick, als an den vorhergehenden Festtagen, indem Manche, die dem Feste bisher kühl gegenübcrstanden, von der allge meinen Feststimmung fortgerissen, sich noch zur De- coration entschlossen hatten. Jede Arbeit schien an diesem Tage zu ruhen und schon am Morgen wa ren manche Läden geschlossen. ES liegt etwas Groß artiges darin, wenn eine ganze große Stadt mit ihren näheren und entfernteren Umgebungen, mit den Tausenden von Fremden, welche in ihren Mauern weilen, wenn alle, mindestens über 300,000 Men schen, von einem Gedanken bewegt, einem großen Schauspiele entgegensehen. Die Introduktion dieses Schauspiels bildete der Transport der Fahnen von der Festhalle nach der Stadt durch zwei Dampfer. Es war ein pracht voller Anblick, die Schiffe mit den vielen lustig flatternden Fahnen frei und stolz aus dem im Sonnen schein blitzenden Strome unter schmetternden Trom- petenklängcn dahingleitcn zu sehen. Bald darauf' sah man die Theilnehmer am Festzuge ihren Sammelplätzen in der Pirnaischen und E »Vorstadt zueilcn und nach 2 Uhr endlich setzte sich der Zug auf gegebene Trompetensignale vom Victoriahotel auS in Bewegung.