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schönen, zur großen patriotischen That geworden. Würdig der Größe eines Bundes, der 55,000 Mit glieder in 67 Bünden zählt, hat uns Dresden diese werthvolle Festhalte, hat uns Dresden für das deutsche Lied diesen Ruhmestempel erbaut. Mit einer wahrhaft fürstlichen Gastfreundschaft hat Dres den die 16,000 Sänger bei sich aufgenommen. Wenn es mir im Jahre 1861 gegönnt war, die deutschen Sänger zu begrüßen, gereicht es mir heute zu nicht minderer Befriedigung, als Mitglied Les Ausschusses des deutschen Sängerbundes in Dresden willkom men zu heißen alle Mitglieder unsers Bundes, welche uns in und außer Deutschland angchören, zugleich aber auch im Namen des deutschen Sängerbundes auS tieffühlender Sängerbrust dem Dresdner Fest ausschuß, den Sängern, sowie der gesammten Ein wohnerschaft zu danken für die vielen Opfer, denen sie sich bei Uebernahmc des ersten deutschen Sänger- bundcsfeftes unterzogen. Daß das deutsche Lied in Dresden nach seinem wahren Werthe gewürdigt ist, beweist, daß Sachsens König durch seine Theilnahme unser Fest verherrlichen will. Lied hoch! solcher Begeisterung! Lied hoch! dem deutschen Fürsten, der die Wahrheit des Dichtcrspruches erkennt: „Wo man singt, da lass' dich nieder; böse Menschen ha ben keine Lieder!" „Laßt uns festhalten am deutschen Lied, dessen veredelnde Kraft uns eint in der deutschen Trias: „Schützen, Turner und Sänger." — Nochmals begrüße ich alle Anwesenden im Namen des Bundes, heiße Alle willkommen und, stimmen Sic Alle freu dig ein: Dresden, dem deutschen Sängerbund, un- serm deutschen Bundesfest in Dresden ein drei maliges „Lied hoch!" Dem zündenden Eindrücke dieser Worte folgte der Vortrag der Hymne von Müller v. d. Werra, componirt von Herzog Ernst v. Coburg-Gotha und dirigirt von Tschirch aus Berlin. Dann das Bun- deslied von Mozart, dirigirt von v. Langer. Mit großem Jubel wurden endlich einige ein gegangene Telegramme, unter anderen eins von den deutschen Turnern in Paris, ausgenommen; dann löste sich allmählig die Versammlung, um theils im «'gern Kreise noch der Geselligkeit zu Pflegen, theils die nach den Strapazen der Reise doppelt nöthigc Ruhe zu suchen und morgen früh dem Weckrufe zur Probe zu folgen. Sonntag, den 23. Juli. Zahlreiche Militärmufikchöre, geleitet von Ab teilungen Turner, durchzogen in der Frühe des zweiten Festtages die Stadt. Lustig erklangen die Hörner und Trompeten und riefen die Sänger wach zur fröhlichen Fortsetzung des Festes. Tausende folgten dem luftigen, klingenden Ruf und jede Brust durchzitterten die Klänge mit neuer, frischer Lust. Die Nacht hatte durch einen Regen die laug er wünschte Kühlung gebracht und letztere erleichterte die Wanderung, welche von den meisten Gästen nach der Morgens 8 Uhr statlfiudenden Probe zur ersten Hauptaufführung durch die festlich geschmückte Stadt unternommen wurde. Die auch den akustischen An forderungen vortrefflich entsprechende Construction der Fcsthalle, die sich schon am Abende des vorhergehen den Tages auj's Beste bewährte, ließ sich bei Ge legenheit der erwähnten Probe erkennen. Gewährte schon diese Wahrnehmung eine nicht geringe Befriedi gung, so wurde dieselbe noch wesentlich dadurch erhöht, daß man alsbald zu der Einsicht gelangte, wie die Vereinigung so gewaltiger Massen die feinern Effecte nicht ausschließt. Man stand in der That einem neuen Probleme gegenüber. Desto angenehmer berührte dcr, die selbst am höchsten gespannten Erwartungen gewiß noch übertreffende Erfolg, und wenn bei dem Nachmittagseoneerte die Ausführung der Programm nummern sogar bis in die einzelnsten Details oft eine überraschend präcise und feine war, so dürfte dies wahrlich nicht zum geringsten Theile dem un ermüdlichen Eifer und tzlctße zu verdanken sein, den die Dirigenten wie die executirenden Sänger der fast fünfstündigen Probe auf's Glänzendste be kundeten. Diese Probe mußte Jedem den vollgil- tigeu Beweis liefern, daß der deutsche Männergesang diejenige Stufe erklommen hat, wo er mehr ist als ein bloßes Uutcrhaltungselcment, wo ihm nicht nur künstlerische Berechtigung, sondern sogar eine künst lerische Bedeutung uinewohnt. Letzteres war nicht immer der Fall, ja wir möchten den allgemeinen Aufschwung des deutschen Männergesangcs erst von dem Nürnberger Sängcrfeft datiren. Am Nachmittage strömte Alles dem Festplatze wiederum zu, wo zunächst gegen 3 Uhr die Weihe dcr deutschen Bundesfahnc stattfand. Die Turner, welchen bekanntlich die Verwaltung der Ordnungs polizei auf dem Fcstplatzc überlassen war, bildeten vor dem Haupiportal der Halle einen nach letzterer geöffneten Halbkreis, in welchem die Sänger mit ihren Fahnen eintratcn. Auf dcr Freitreppe der Halle hatten sich die Comilö's und die weißgeklei deten Fcstjungfrauen ausgestellt. In der Mitte des Halbkreises stand vor dcr verhüllten BundcSfahne die Rednertribüne. Nach dem Gesänge: „Der deutsche Sänger bund" von Fraucnstein, comp. von Merhfessel, di-