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„So laßt sie denn erschallen Eure Lieder, laßt sie erschallen, Ihr theuern Sangesbrüder, laßt sie ertönen zum Lobe und zum Preise Gottes und singet Ihm ein neues Lied, fachet an und nährt durch Eure Sangcswcisen die heilige Liebcsglmh zum ge meinsamen, theuren Vaterlande und befestiget mit Euren Chören das treue deutsche Herz und Gemüth, damit es unverbrüchlich festhalle an der Zuversicht und an dem erneuerten Gelübde: Wie heute in Sprache, Wort und Lied, so allezeit auch in Ein tracht, That und Muth geeint zu stehn mit allen seinen Söhnen. — Auf denn, Ihr Bürger dieser hochbeglückten Fcststadt, auf! und grüßet noch ein mal mit mir unsre theuren, lieben Gäste aus allen Landen, aus jeglicher Zone mit dreifach jubelndem Hoch!" - Allgemeine Begeisterung hatte die gesammte Versammlung ergriffen und gab sich kund in einem nicht endcnwollcnden Bravorufen. — Sodann be trat — mit Beifallsrufen begrüßt — Hr. Staats anwalt Held, als Vorsitzender des Dresdner Fest ausschusses, die Rcdnerbühne und begann: „Hochwillkommen deutsche Sänger, deutsche Brüder, versammelt hier von nah und fern zur er sten großen ernsten Feier unscrs zwar jungen, aber zur kräftigsten Blüthe entfalteten Bundes! Hoch willkommen heißgeliebte, schmerzlich vermißte, freu dig wiedergcwonnene Söhne derselben Mutter, die Ihr nach langer schwerer Zeit, Dank Eurer opfer vollen Treue, Dank deutscher Mühe, Kraft und Be harrlichkeit, bei u-nscrm Nationalfeste mit unver hüllter Fahne erscheint. Hochwillkommen deutsche Brüder, die Ihr von der. Newa und Themse, von der Seine und von der Loire Strand, die Ihr aus den fernsten Wclttheilcn zu uns kommt, mit uns vereint die schöne, nur zu kurze Zeit zuzubringcn und Kunde zu geben von deutscher Bildung im Aus lande. Willkommen Ihr, die Ihr von den schwei zer Alpen einen Bruderzruß bringt, der uns an weht, wie Hauch der Freiheit, freie Himmelslust. Willkommen Ihr Vertreter befreundeter Nationen, die Ihr durch Eure Gegenwart Zengniß dafür ab legt, Laß Ihr deutsche Kunst und deutschen Geist ehrt. Willkommen ganze große Sängerarmee, der wir als Pionnierc vorauszogen, um ihr den Sieg zu bereiten!" Im weitern Verlauf seiner Rede schilderte Hr. Held die Aufgabe deS Festausschusses, die zwar durch daS stete Wachsen der Menge der Sängergäste im mer schwerer, aber auch wiederum erleichtert worden sei durch die Unterstützung der Männer deS Nürn berger Sängerfestcomite'S, welche ihr« Erfahrungen kundgegeben, ebenso erleichtert durch die Bewohner Dresdens, sowie durch die Gunst der Staats- und Stadtbehörden, feiten deren sich auf die vielen Ge suche des Comitö's nicht eine abschlägige Antwort in den Akten befinde. Das Freudigste jedoch für das Comitö sei die Gunst des Fürsten, der die Ach tung und Liebe aller Deutschen, weit über seine Landesgrenzen hinaus, besitze, der nicht allein dem Feste seine Residenz geöffnet, sondern auch seine unterstützende Theilnahmc ihm gewidmet und es auch durch sein: Gegenwart verherrlichen wolle. — (Mit lautem Jubel unterbrach die Versammlung hier den Redner durch ein: „Hoch König Johann!") — Der Ausschuß habe sich bemüht, das Fest im Sinne der Jünger des Bundes vorzubcreitcn, aber nicht er wolle den Geist des Festes bestimmen, die ser ziehe erst mit den Sängerbrüdern ein. „So ziehet denn ein, deutsches Lied und deutscher Geist! Entfallet eure Schwingen, daß ihr Rauschen ver nommen werde in aller Welt! Hoch du mein deut scher Sängerbund! Hoch du mein deutsches Vater land, hoch!" Ein gewaltiger Applaus begleitete Leu Schluß dieser Rede. — Der 3. Redner bestieg nun die Bühne, es war Hr. D Geister, Vorsitzen der des vormaligen Nürnberger Fcstcomttö's, und sprach: „Der Sladt Dresden verehrlicher Festausschuß, liebe Sangeszenossen und Bundesbrüder! Vier Jahre sind es bereits in diesen Tagen, daß Nürn bergs Sänger, unterstützt durch den Patriotismus und die Freigebigkeit der gejammten Einwohnerschaft ihrer Stadt, ein Sängerfest feierten, wobei 5500 Sänger aus allen deutschen Landen vereinigt, einen Bund, wenn auch nicht in äußerer Form, doch in ihrem Geist, Gesinnung und gleichgestimmten Her zen schlossen. In der Versammlung der verschie denen bei diesem Feste anwesenden Gesangvereine wurde nicht eine Verbindung der tausend deutschen Emzclvereinc, sondern zuerst eine Sammlung die ser Einzrlvereine in einzelne Bünde beliebt, aus deren Zusammentritt sich der deutsche Sängerbund bilden sollte. Bei der Begeisterung in allen deut schen Landen für deutsches Lied u. deutschen Männer gesang geschah diese Bildung so rasch, daß bereits ein Jahr nach dem Nürnberger Sängerfest Abgeord nete der einzelnen Bünde in Koburg zusammen kamen und dort den deutschen Sängerbund schloffen. „Im Jahre 18K2 regte sich bei vielen Abge ordneten der Wunsch, cö möge die Stadt Dresden, als in vieler Beziehung geeignet, das erste deutsche SängerbundeSsest übernehmen, und was unS damals alS Gedanke beschäftigte, wir sehen eS heut« zur