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und Meerschwein! Ich will sofort in einen Schell fisch verwandelt sein, wenn ein solches Handels haus in Rotterdam vorhanden ist. Ihr scherzt, Schiffer! Wie lange seid Ihr denn vom Hause weg?" „Es ist manches Jahr vergangen!" Und sich an seine Schiffsgenossen mit Len Lcichenze- sichtern wendend, fragte der Capilain: „Wißt Ihr eS noch!" — Die Beiden schüttelten mit Len Häuptern. „Hört, eine Bitte, Maat!" sagte jetzt der Ost indienfahrer. „Wäret Ihr nicht geneigt, uns einige Briefe nach Rotterdam zu bestellen? Für jedes Schreiben sollt ihr einen Ducaten haben und ein Faß Goaarack obendrein. Hier ist vor Allem das Geld." Die drei Männer griffen in die Taschen, aus denen jeder eine Hand voll Schlamm, gemischt mit Scemuscheln und Goldstücken, hervorbrachte, dann zogen sie mehrere vergilbte Briefe hervor. „Hört Maate, Ihr seid seltsame Gesellen!" rief Siemsen, während seine Begleiter mit bangen Blicken auf die Fremden schauten. „Ihr wollt nicht nach Rotterdam und gebt auch sonst so ver dächtige Antworten, daß ich Euch unbedingt für Piraten halten würde, wenn wir außerhalb Les NordmccrcS schwämmen. Aber nichts für ungut! Jeder hat seine Eigenheiten und man soll dem Wirth vom „sanften Seehunde" nicht nachsagen, daß er Gastfreundschaft Lurch Unhöflichkeit ver golten habe. Laßt uns anstoßcu auf glückliche Heimkehr!" Die drei Ostindienfahrer seufzten und benetzten ihre Lippen mit Grog. „An wen sind Briefe gerichtet?" fragte halb laut Hendryk Doorvliet, indem er die Hand nach denselben ausstreckte. „Dorsten, Bauer, Maryk Görling, Fcanstcr Vooren, Jan van Beek — von Allen denen ist mir keiner bekannt." „Jan van Beck?" wiederholte nachsinnend der Wirth zum „sanften Seehund." „Ein Mann dieses Namens wurde einstmals zu Hagcrwoudc gehenkt, das muß aber lange her lein, denn mein Großvater, der bereis als abgenutztes Wrack ver senkt wurde vor fünfzig Jahren, hat Jans Hin richtung als lOjähriger Bube mit angesehen. Aber sagt an, Maat, Ihr habt da eine seltsame Glas lampe, ihr Schimmer fängt an, Eure Gesichter grün und blau zu färben. „Ja, es ist spät und wir sind müde. Ver geßt nur die Briefe nicht! Trinkt aus und eilt, daß Ihr auf Eure Herinzsbüsc kommt." „Was ? Das klingt ja, als ob ihr uns aus dem Schiffe hinaushaben wolltet?" schrie der alte Siemsen, welcher sich der Trunkenheit zu nähern begann. „Auf, Nis und Hendryk, laßt uns nach der Schaluppe zurückkehren, damit diese grün und blau angelaufencn Meerschweine nicht etwa glau ben, wir sind nach ihrem Grog lüstern, obgleich ich gar nicht leugnen will, daß er verdammt gut schmeckt. Aber Potz, Robbe und Löffelfisch — geht denn das mit rechten Dingen zu?" Diesen Ausruf des Stoppelfrosches veran laßte eine grauenhafte Metamorphose. Die Häup ter der drei Ostindicnfahrcr verwandelten sich in grinsende Todtenschädel, ihre Kleider fielen in mo dernden Fetzen voni fleischlosen Körper und drau ßen erhob sich ein heulender Wettersturm. Nis und Hendryk Doorvliet sprangen auf, nach der Kajüteuthür und so gut cs gehen wollte, folgte ihnen der alte Siemsen. Die Flüchtlinge fühlten, wie das verfaulte Holz unter ihren Tritten nach gab, erreichten jedoch glücklich das Verdeck. Hier aber trat der Stoppelfrosch mit seinem Stelzfüße eine Planke durch und blieb stecken. Der Tag begann eben zu grauen. Das Schiff rannte mit fürchterlicher Schnelligkeit durch die Wogen, welche weit über Bord cmpsrschäumten, obgleich die Masten kein einziges Segel trugen. Am Steuer saß ein Todtengenppe und auf dem Deck umher lagen mbhrcre menschliche Skelette. In der Häringsbüse, welche noch am Vytenhout fest war und von diesem pfeilschnell fortgcrissen wurde, herrschte Grabesstille. NiS und Hendryk wollten eben, von Entsetzen gejagt, in ihr Fahr zeug springen, als die Stimme Les alten Siem sen Lurch Sturm und Wogengebraus ertönte: „Ohoi! Ihr hasenfüßigen Meerschweine, hat denn keiner eine FloßfcLcr für mich, um meine Ruder pinne aus diesem vermaledeiten Sargbrete zu zie hen? Komm her, Nis, mein Junge, und hisse mich über Bord, denn mir scheint, daß dieser Teufclskastcn zu sinken beginnt." Nis ermannte sich. Er kehrte um, hob den Sloppelfrosch auf seinen Rücken und warf ihn in die Häringsbüse hinqb. Das Geisterschiff begann furchtbar zu schlingen. Es sank immer tiefrr in's Wasser. Da erfaßte Nies ein Handbeil und we nige kräftige Hiebe trennten das Tau, welches die beiden Fahrzeuge verband. Noch einige Sccunden sah man Len Vytenhout dahinrollen, dann war er zwischen Wellen und Morgennebel verschwunden. „Wenn das nicht der fliegende Holländer war, will ich mich augenblicklich in eine» Schell fisch verwandeln", seufzte der Sloppelfrosch.