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durch den Tod des Königs von Dänemark nahm, drängte indeß diesen Streit zurück, und brachte überhaupt den Leiter der preuß. Politik in eine ganz neue Situation. Bismarck stand trotz des bisherigen Zwie spalts nicht an, sich sofort mit Oesterreich zur gemeinsamen Entscheidung des deutsch-dänischen Streites auf Grund des Londoner Vertrags von 1852 zu einigen. Die Jnitative der beiden Großmächte mußte die in ihren Folgen unberech- bare Bewegung im deutschen Volke für die Her zogtümer lähmen und erdrücken, mußte die Auf merksamkeit von dem preuß. Verfassungsstreite ablenken und die Schwierigkeit der innern Lage vorläufig mildern, mußte endlich auch den Mit tel- und Kleinstaaten des Bundes die Sache aus der Hand nehmen und diesen die österr.-preuß. Macht empfinden lassen. Nachdem Bismarck und Graf Rechberg dm Bund, ter die Beiträge von 1852 niemals anerkannt, zur Verwandlung der Occupation Holsteins in eine „Exemtion" genö- thigt, verlangten sie in einem Prästdialantrage, daß der Herzog Friedrich von Augustenburg das Land Holstein verlassen solle und stellten sodann den Antrag, der Bund möge Oesterreich und Preußen die Occupation Schleswigs als Groß mächten gestatten. Sowohl das eine wie das andere ward abgelehnt, und nun erfolgte die Er klärung, daß die beiden verbundenen Mächte die Occupation Schleswigs aus ihre eigene Hand vollziehen würden. Vielleicht wäre man mit noch geringerer Rücksicht gegen den Bund vorgegan gen, wenn nicht Napoleon III. den deutschen Mit tel- und Kleinstaaten seine Hilfe von fern ge zeigt hätte, ein Umstand, der namentlich auf Bismarck Eindruck zu machen schien. Inzwischen trat am 9. November 1863 das neugewählte, aber trotz des Druckes auf die Presse und auf die Wahlen wieder die vormalige geschlossene Orpofition umfassende Abgeordneten haus zusammen, welches sich sogleich mit einer Adresse an den König beschäftigte, in dec vorge stellt war, daß fick Preußen in seinem eigenen, wie im Interesse Deutschlands und der Herzog- thümer von dem Londoner Vertrage von 1852 lossa gen und die Frage durch Anerkennung des Erbrechts des Herzogs von Augustenburg lösen möge. Jede andere Politik bedrohe die Zusammengehörigkeit der Herzogthümer und stelle in Deutschland Zerfall Md Bürgerkrieg in Aussicht. Dem gegenüber beharrte je doch der Ministerpräsident auf seiner Politik und er klärte, daß für Preußen nur der Londoner Vertrag von 1852 zur Behandlung der deutsch-dänischen Ver hältnisse maßgebend sein könne. Die Antwort des Königs lautete in gleicher Weise und war von einem Gesetzentwurf zur Bewilligung einer Anleihe von 12 Mill. Tblrn. begleitet, damit die Regierung ihre Politik durchführen könne. Wiewohl Bismarck in den Berathungen der An- leihccommission äußerte, er werde unter allen Umständen auf dem Standpunkte des Vertrags von 1852 beharren, und wolle das Haus die Mittel nicht bewilligen, werde sie die Regierung nehmen, wo sie diese finde, so ersolgke Loch nach den Debatten vom 22. -23. Jan., in welchen der Ministerpräsident seine Gegner anfö härteste anschuldigte, die Verwerfung der Anleihe. Aber auch eine Preßnovclle, rin Äilitairgesetz und das RegierungSdudget hatte das Abgeordnetenhaus in zwischen derathen und verworfen. Nachdem der Ludgetentwurf Lurch daS Herrenhaus abermals in verfassungswidriger Weise sanctionirt worden, erfolgte am 25. Januar 1864 die Schließung des Landtags. In det Thronrede, welche Bis marck verlas und die ganz das Gepräge seines Geistes trug, häuften sich die stärksten Vorwürfe gegen das Abgeordnetenhaus. Dasselbe habe der Regierung in der auswärtigen Politik einen ver fassungswidrigen Zwang auflegen wollen und in der Voraussetzung kriegerischer Verwickelungen in voraus Partei gegen Preußen ergriffen. Hier nach müsse einstweilen die Hoffnung aus eine Ver ständigung aufgegeben werden. Ohne Ueberein- stimmung mit der Volksvertretung begann nun Bismarck im Verein mit Oesterreich die Action gegen Dänemark, in welcher ihn bekanntlich der Gang der Ereignisse bald genug von der Unhalt barkeit seines Standpunktes überzeugen mußte. Von der „Integrität" der dänischen Monarchie auf Grund des Vertrages von 1852 wurde man zur Personalunion, von dieser Theilung Schles wigs yingedrängt. In die Londoner Friedens konferenz trat Preußen nur ein, nachdem Eng land zugestanden, baß die Verträge von 1851 und 1852 nicht zur Grundlage de: Verhandlun gen genommen würden. Nach der Eroberung AlsenS und der Besitznahme von Jütland schlossen Preußen und Oesterreich den Präliminarverlrag vom 1. August 1864 ab, wonach der König von Dänemark auf den Besitz der Herzogthümer zu Gunsten der Verbündeten vollständig verzichtete. Im Sommer 1864 verbreitete sich das Gerücht, der Minister Bismarck habe bei Begegnung des Königs Wilhelm mit dem Kaiser von Rußland