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rung, worauf es Bismarck geschehen ließ, daß das Herrenhaus am 11. Octbr. im Widerspruch mit seinen verfassungsmäßigen Befugnissen den Regie rungsentwurf für 1862 wieder hcrstellte. Zwei Tage später erfolgte der Schluß des Landtages, und die durch Bismarck verlesene Thronrede er klärte, daß sich die Regierung in die Nothwendig- keit versetzt sehe, den Staatshaushalt ohne Finanz gesetz fortzuführen. Während nun im Innern zahlreiche Preßprocesse und Disciplinarmaßregeln gegen liberale Beamte erfolgten, erinnerte Bis marck den Kurfürsten von Hessen an sein im vo rigen Zahre gegebenes Versprechen und drohte, falls dort die Budgetvorlage nicht erfolgen würde, mit weiteren Schritten. Die Opposition Oester reichs gegen den französischen Handelsvertrag und dessen Antrag beim Bunde aus eine Volksvertre tung durch Kamnterdelegirte gab ihm Gelegenheit zu einem scharfen Notenwechsel mit Oesterreich, in welchem er dem Wiener Cabinet Feindseligkeit gegen Preußen vorwars und beim Verharren Oe sterreichs und der Mittelstaaten in dieser Politik den Bruch des Bundes in Aussicht stellte. Hier bei erfolgte auch die Andeutung, daß, wenn Oe sterreich nicht mit Preußen gehen wolle, es „sei nen Schwerpunkt in Ofen zu suchen habe." Nach dem Ausbruche des Aufstandes in Polen suchte Bismarck eine Convention zwischen, Preußen uud Rußland zur gemeinsamen Niederhaltung der Revolution abzuschließen. Dieser Schritt stieß jedoch auf solches Mißfallen in London und Pa ns, daß wenigstens der formelle Abschluß unter bleiben mußte. Als der Landtag den 14. Januar 1863 wieder zusammentrat, richtete das Abgeordneten haus eine Adresse an den König, in welcher aus gesprochen war, die Verfassung sei von dem Mi nister verletzt worden. In der Adreßdebatte that Bismarck unter anderm die Acußerung, daß staatsconfliite, käme kein Kompromiß zu Stande, durch den Factor erledigt würden, der die Gewalt habe. Es warb somit dem Streite zwischen dem Hause und der Krone der Charakter einer Frage des öffentlichen Rechts entzogen und daraus ein bloßer Macht streit gemacht, in welchem freilich die Regierung als Inhaberin der materiellen Gewalt den Sieg davon tragen mußte. Die Acußerung des Mi nisterpräsidenten erregte Staunen und Unwillen, und unter anderm entgegnete Gras Schwerin, daß in Preußen nicht Recht vor Macht, sondern Macht vor Recht gehe. An diese Vorgänge schlos sen sich wiederholte Interpellationen bezüglich der Convention mit Rußland und des Verhaltens der Regierung in Posen, die Bismarck in aus weichender Weise beantwortete. Seit 7. Mai begannen die Debatten über das Militairgesetz, das die heftigsten Kämpfe veranlaßte. Als hier bei der Präsident den Minister von Roon einer Acußerung wegen unterbrechen wollte, behauptete letzterer, daß der Präsident dazu kein Recht habe, und es kam der von Bismarck schon angeregte Streit über die Lisciplinargewalt des Hauses zum vol len Ausbruch. Die Minister erklärten, daß sie erst bann wieder in den Berathungen erscheinen würden, nachdem man anerkannt, daß sie der Disciplin des Hauses nicht unterworfen seien. Das Abgeordnetenhaus, welches darin nur einen Vorwand sad, seine Auflösung herbeizuführen, richtete eine Adresse an den König, in der offen erklärt ward, der König möge nicht länger zö gern, „die Personen und mehr noch das System" zu beseitigen, welche Thron und Land ins Ver derben zu stürzen drohten. Das Haus habe keine Mittel mehr zur Verständigung mit dem Mini sterium und müsse sich lossagen von der Politik, deren Träger die Minister seien. Mit der ab weisenden Antwort des Königs erfolgte am 27. Mai die Schließung des Landtages, ohne daß das Budget zu Ende berathen worden. So hatte denn während der kurzen Zeit des Ministeriums Bismarck'S das preußische Verfas sungsrecht den tiefsten Riß erlitten. Der Schlie ßung folgte die Preßordonnanz vom 1. Juni, welche die Zeitungspresse dem franz. Verwarnungs system unterwarf und alle liberalen Blätter mit Unterdrückung auf dem Verwaltungswege bedrohte. Dem BundeSreformproject gegenüber, das der Kaiser Franz Joseph den von ihm nach Frank furt berufenen Fürstentag vorlegte, verhielt sich Bismarck abweisend, indem er Mitte August in Noten an den preuß. Gesandten zu Wien Oester reich den Vorwurf machte, daß es revolutionär verfahre und Preußen, sowie Deutschland mit feinem Plane habe überraschen wollen. Erst ei nige Zeit darauf ließ sich Bismarck in einem Be richt an den König über das Reformproject und dessen Ablehnung genauer aus. Solle Preußen auf eine deutsche Reform eingehen, so müsse eS vor allem Gleichstellung mit Oesterreich am Bunde, das Vetorecht für beide Großmächte in Kriegs fragen und Vertretung der deutschen Nation aus Volköwablen zur Bedingung setzen. Die Wen dung, welche die SchleSwig-Holstein'sche Frage