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tigkcit auf und für die Bühne zurück und wurde wieder Bewohner jener kleinen Provinzialstadt Stratford. Doch nicht lange sollte er nach be wegter Fahrt auf d.m stürmischen Meer des Le bens im stillen Hafen der Ruhe genießen. Bereits nach 4 Jahren, 1616, am 13. April, seinem Geburtslage, in einem Alter von 52 Jahren, starb er. Seine Frau und beiden Töchter überlebten ihn, doch starb seine Nachkommenschaft bereits im zweiten Gliede aus. Bald nach Shakipear's Tod wurden in Eng land auch seine Werke vergessen; Cromwcll's eiserne Faust, der nur frömmelnde, kriechende Kreaturen hrauchen konnte, hielt allen Frohsinn, alle heitere Kunst nieder. Als nach seinem Tode das Königs haus wiederkchrte, da dachte man des großen Lands manns gar nicht mehr und seine Werke blieben unbe achtet; französische und spanische Stücke, italienische Sänger und Tänzer traten auf, jene tiefgeistigen Schauspiele Shakspear's verstand man nicht, oder gab sich keine Mühe sie verstehen zu wollen. End lich im 18. Jahrhundert wurden seine Werke wieder studirt und zwar, wir können stolz sein, zuerst nicht von den Engländer» seinen Landsleuten, sondern von den Deutschen. Lessing, A. W. Schlegel, Ger- vinus und andre erfaßten und bearbeiteten Shak- spcar's Werke. Die Deutschen erst mußten den Eng ländern zeigen, welchen Rcichthum sie besaßen uüd erst durch Deutsche lernten die Engländer ihren größten Dichter kennen und verstehn. Die neuere Zeit hat denn nun auch einen Shakspearccultus er blühen lassen, wie ihn ein zweiter schwerlich errungen hat. Immer und immer schöpft man aus seinen Werken, als aus eincnl Brunnen voll Klarheit und Wahrheit.— Es wurde oben die Zahl seiner Werke 37 angegeben. Ihre Zeitfolge festzustellen, Hai den Erklärcrn Shak- spcar's viel Mühe gemacht. Im Allgemeinen nimmt man 3 Perioden an; die erste umfaßt die Jugendwcrkc und geht bis 1592. „Periklcs," nach Anderen „TituS Andronikus" beginnen den Reizen, dann folgen, meist im Jahre 1591 „die Komödie der Irrungen", „die Zähmung der Widerspenstigen," „die beiden Verone ser", „Liebes-Leid und Lust," im folgenden Jahre, zu gleich als Schluß der Periode, die 3 Tbeile „Heinrich's VI." Tie 2. Periode beginnt mit „Richard III.", so dann kommen „Richard II.", „derKaufmann vonVe- nedig", „der Sommernachtstcaum", „Romeo und Julie", „Heinrich IV." (I. u. 2. Theil), „König Jo hann", „Ende gut, Alles gut" und „Heinrich V." — Wir müssen über die Fruchtbarkeit und Sicher heit des großen Dichters, die er am Schlüsse der 2. Periode entwickelte, erstaunen, denn in der Zeit von 1598—1603 schrieb er.durchschnittlich wenig stens 2 Stücke in einem Jahre in den verschieden sten Gattungen von ungleichem Wertbe, die relativ geringfügigsten, wie „Viel Lärm um N chts", „Wie es euch gefällt", „Die lustigen Weiber von Windsor", neben den bedeutungsvollsten, wie „Othello", „Ham let", „Cäsar", „Lear" und „Heinrich VIII." Spä terhin werden seine Arbeiten spärlicher; in den Jahren 1604 — 1612 arbeitete er durchschnittlich jährlich ein Stück, die letzten sind „Maß für Maß", „Macbeth", „AntoniuS und Kleopatra", „Terilus und Cressida", „Cymbelin", „Coriolan", „Tttnon von Athen", „Der Sturm und das Wintermähr- chen". — Man sieht daraus, daß er nach und nach immer mehr zu höheren Stoffen ausstieg; wenn im Anfang vorzugsweise Lustspiele vorherrschen, so findet man im Verlaufe, daß er zuletzt fast nur tragische und höchst tragische Stoffe bearbeitete. Daraus sieht man die vollendete Reife des Dichters, das gehobene Selbstgefühl, das ihn, gleich wie der ausgewachsene Adler die Schwingen zum kühnsten Fluge entfaltet, hinaufsteigen hieß aufden Gi pfelpunkt der dramatischen Kunst, der höheren Tragik. Dies ist das Bild des Dichters, dessen Jubel feier im verflossenen Jahre in Deutschland mehr fast, als in England abgehalten worden ist. Man cher deutsche Dichter hat ihn besungen, keiner aber trefflicher, als Adplf Böttgcr. Sein ernstes Auge blickt ins Menschenherz, Und offen liegen ihm dis tiefsten Gründe: Der Unschuld Freude wie der lose Scherz, Der Rachsucht Gier, der Liebe süßer Schmerz, Die Leidenschaft bis zur geheimsten Sünde. Ja selbst des Wahnsinns Schreckgestalt Neigt sich der magischen Gewalt. Was der Geschichte Webstuhl webt, Durchforsch: sein Geist: das Längstcrlebtc Beleb! aufs Neu sein Schaffensdrang, Daß sich im Lächeln, wie im Grimme Aus jedem Wesen rings die Stimme, Der Donner eines Gottes rang. Der Gluthgedanke blitzt — er leibt und lebt In Kraftgestaltcn jedes Lands und Standes, Und über allen den Geschöpfen schwebt Die übcrleg'nc Klarheit deS Verstandes. Ja! als bewältigt er die Erdcnwclt In ihrem innersten Geäder Mit mnsikalisch-mächtzer Feder: So lächelt er sich neue Dichterstärke; Und hehr vom Sonnenlicht erhellt Erschließt er sich die Geisterwelt Zum riesenhaften Schöpfcrwcrkc.