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der hervorragendsten und geachtetsten, nicht allein in den Kreisen des Judentbums, sondern auch unter den Christen. Einmal steht sie durch ihre kaufmän nischen Geschäfte und durch ihren Reichlhum oben au, zum andern hat sie aber auch zwei Koryphäen der Kunst aufzuweisen, deren Namen sicher noch lange glänzen werden: Giacomo und Michel; der erste als Musiker, der zweite als Dichter berühmt. Am 23. Sept. 1791 ward dem Chef eines bedeutenden Banquiergeschäfts, Beer, ein Söhnlein geboren. Die Beschneidung ward bald darauf an demselben vollzogen und ihm die Namen Jakob Mayer beigclegt. — Gleich seinem früh verstorbenen Bruder Michel, dessen „Slruensee" und so manches andere Drama noch in der Literaturgeschichte einen nicht unbedeu tenden Platz einnehmen, zeigte auch Jakob Mayer schon in frühester Kindheit ausfallende, musikalische Fähigkeiten. — Wie viele Kinder unter Christen, wie Juden zeigen nicht auch in ihrer Kindheit treffliche Anlagen, die zu den schönsten Hoffnungen berechtigen, allein die Aeltern erkennen sie nicht oder was noch schlimmer ist, beachten sie nicht — zwingen wohl gar die Kinder zu einem Berufe, lür den weder Anlage, noch Lust vorhanden ist. Nicht so der Vater Beer; er unterließ cs nicht, die so augenscheinliche Begabung seines Sohnes für die Tonkunst bestmöglichst zu fördern und sie nach Kräften sich entwickeln zu lassen. Der Knabe erhielt Unterricht im Elavierspiclen; zu seinem Lehrer ward der damals ziemlich berühmte, jetzt verschollene und vergessene Pianist und Compositeur Franz Lauska erwählt. Dieser, sowie später Zelter und Bernhard Anselm Weber, die den jungen Schüler in der Theorie der Musik unterrichteten, bildeten denn auch Jakob Mayer's oder Giacomo's Anlagen so aus, daß er bald sich in Conc'erten öffentlich hören ließ und Mozart und v. Weber ähnlich, als ein Wun derkind anzestaunt wurde. Er machte eine Reise durch Deutschland und wurde überall, namentlich aber in W'en, glänzend ausgenommen. Nicht allein das Publikum, sondern auch die gewichtigsten Größen auf dem Gebiete der Musik zollten ihm die vollste Anerkennung. — Zum Jüngling herangcrcift, konnte Mcyerbeer, jemehr sich auch in ihm Streben nach wahrem Künstlerruhm entwickelte, in der, zwar durch Glanz verlockenden, aber doch nicht wahren Kern bietenden Stellung eines Virtuosen nicht Befriedigung und sein höchstes Ziel finden. Er strebte nach dein Schaffen von der Nachwelt bleibenden Denkmälern seiner Kunst. — Damals galt im ganzen deutschen Vaterland als bester Theoretiker der Musik der berühmte Abt Vogler in Darmstadt; zu ihm zog jeder, der in der Musik etivas Höheres erzielen wollte, der die Kraft des Schaffens in sich fühlte; er war die Sonne, von der man Licht und Wärme erhalten konnte. Auch Meycrbeer wandle sich zu ihm und saß als aufmerksamer und fleißiger Schüler ein ganzes Jahr von 1810—1811 zu den Füßen des großen Meisters. Gleichzeitig mit ihm studrrte auch Carl Maria v. Weber hier und zwischen diesen beiden großen Geistern entspann sich ein beide gleich ehrendes freundschaftliches Verhältnis Hier war es auch, wo er sein erstes größeres Werk schrieb; cs war eine Cantate, betitelt: „Gott und die Natur." — An Compositionen für den Concertsaal konnte aber Meyerbeer's Geist wenig lohnendes entdecken, sie waren ihm zu eng begrenzt; er suchte wohl einen größern Raum und den fand er in der dramatischen Musik. Die Oper kann erst den - Gestalten das rechte Leben einhauchen, sie wirkt viel erfassender auf das Publikum, als die Musik im Concert. Bald nach jener Cantate erschien denn auch sein erstes derartiges Werk, betitelt „Jephtas Tochter." Darin, daß er gerade zu seinem Erst lingswerke den Stoff aus dem alten Testamente, aus der ältesten und zugleich Helden Geschichte seines Volkes nahm, darin liegt ein Zug hoch zu achtender Nationalliebe. Dieses erste Kind seiner Muse erhielt die Feuertaufe auf den Bietern der Münchener Hof bühne, wo es nicht ohne Applaus aufgeführt ward. Kurz Zeit darnach erschien ein kleineres Werk, die heitere Operette „die beiden Chalifen", auch dieses Werk ward in Wien und Stuttgart aufgeführt. — Diese Aufnahme, die doch lange noch keine Be geisterung und Entflammung zeigte, die keinen euro päischen Ruhm verhieß, konnte den nach Höherem strebenden Meycrbeer nicht befriedigen. — Um diese Zeit trat Rossini in Italien auf, der die künstlerisch ernste, solide Richtung der Musik auf die Seite setzte und dafür jene verführerische, sinnliche, effekt voll einschlug, die ihn bald zu einem berühmten in ganz Europa genannten Namen verhalf. Entgegen gesetzt dem ernsten Weber, der gerade diese Richtung bekämpfte, reiste Mcyerbeer nach Italien, gab sich ganz dieser Manier hin und cs erschienen in den Jahren 1817—25, wcnigeJahre nach seines(1815) Vaters Tode, kurz auf einander eine ganze Menge Opern von ihm, die sämmtlich in der roisinischcn Weise gv-rbeitet waren. Solche Opern, von denen die meisten über die Grenzen Italiens hinaus we nig bekannt und jetzt längst Vergessen sind, waren: