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unfähig, rannten in Verzweiflung durch die Stra ßen, die Hände ringend und das Haar ausrau- fend. Ein Reiter, ein Gaucho vom Lande, warf seinen Lasso in die Kirche hinein; tausend Hande streckten sich nach ihm aus und der vereinigten Kraft des Mannes und des Pf rdes gelang cs, einige Frauen an dem Lasso herauszuzuhen; beim zweiten Versuch riß das Seil. Einige Augenblicke später und das Innere des ganzen Gebäudes war ein glühendes Flammenmeer; die Kleider der Frauen, ihr Haar geriethen in Brand; eine riesenhafte Feurr- zunqe schoß aus der Hauptpforte heraus und die hölzernen Thore standen in Flammen. Oie be- klagenswerthen Opfer sanken lautlos, ohne Weh ruf nieder und alles war tiefstes Schweigen, nur unterbrochen von dem Zischen der lodernden Flam men und dem Einsturz d>s hölzernen Thurmes. Die Kirche war ein Gluiofen. Als das Feuer sich endlich in sich selbst verzehrt hatte — denn in Santiago qiebt cs keine Lrandspr tzen — wurden die Leichname in der Kirche sichtbar, in horizon talen Lagen auf einander g-schichtet, odergruppen weise niederknieend, in der Stellung, wie ter Tod sie erfaßt hatte; die Mehrzahl nahe an den Thü- ren, andere unter dem Säulengewölbe, andere unter der großen Glocke, na sche auf die Gruppe in der Nähe dcs Haupteingangs gestürzt war. Ucber Zweitausend waren des Flammentodes um, g-kommen, wie die in dcn Blättern veiöffentlichte Liste der Vermißen ausweist. Zwei Drittiheiic ge hörten den dienenden oder den Claffen der unteren Bevölkerung an, der Rest dcn vornehmsten Fa milien der Hauptstadt. Die Bestürmng war so groß, der Schlag traf so schrecklich, dos Schau spiel war so enksetz nerregend, daß die Katastrophe anfangs wie ein Traum an dem Geiste der Ueber- lebenden vorüberzoq. Keiner schlief in der folgen den Nacht, viele kannten lange Nächte noch keine Ruhe finden. Kaum eine Familie lebte in San tiago, die nicht den Verlust eines nahen Ver wandten zu bcklagen hat, manche Häuser find ganz ausgestorben. Dec Präsident ?P rez verlor zwei Töchter, ein Minister seine Frau, der comman- dircnde General vier Kinder. Ueber 20 Gcistl-che sind verbrannt. OerErzbischofwarf sich mit m-hr a's 50 Geistlichen in der Nähe des Feuers aufs Antlitz; dann rief er zum Himmel: „Gott, laß mich sterben mit meiner Heerde, ihrer ist ja das Himmelreich!" Nur mir Gewalt war er abzvhalten, sich in die Glut ru stürzen. Zu sieben Häusern fanden sich keine Emwohner mehr, und die Polizei mußte die Inventur cusnchmcn; es giebt Familien, die an 5 bis 10 Personen zu betrauern haben. Em Ein wohner, Ricard Ovale, verlor seine Frau, fünf Töchter und zwei Dienstmädchen, und aus einem Institute fehlten alle Schülerinnen, siebenzehn an der Zahl. Ein weites Grab birgt die Reste der Umgckommm n. — Oer in Valparaiso ^schei nende „Acreuno de! Vapo " schildert die Wukh des Volkes gcg-n das schändliche Benehmen eini ger Priester, welchen drs Volk von Santiago die Schuld an dem furchtbaren Un stück b-urußt, zu mal dem geistlich»« Marktschreier Ugarke, der die weibliche Bevölkerung halb verrückt aem ichl batte, indem er ihnrn einred.te, ihre Bittgesuche — mit Geld besä wert — in Briefform direct an die heilige Mutter Gottes expediren zu könn n und durch dessen V ronleffung die Kirche mit Musseldrope- rien und Lamp-n übeifüllt worden war, derselbe tröstete die trauernden Verwandten mit der Ver sicherung, daß die Mutter Gottes selbst den Brand angezündet habe, um ihre andächti>en Kinder zu sich zu nehmen, während einer seiner Collegen auf offenem Markte erklärte, die Stadt habe allen Grund sich dieses Feueropfers zu freuen; denn Chste sei eines großen Vorraihes von Heiligen und Märtyrern ganz entsetzlich bedürftig gewesen. Die Einwohner von Santiago schein-» doch an dieser Theologie k inen Gefallen zu finden und wollen die Kirche dem Erdboden gleich machen und die Priester ve>jagen. Giacomo Meyer beer. (Geboren den 23. Sept. 179t, gest den 2. N-i 186i.) Wie eS auf dem Gebiete der Staatenkunde Kaiser, Könige und Fürsten giebt, so auch auf dem Ge biete der Kunst und Wissenschaft. Ein Göihe, Schil ler, Humbold, Beeihoven und Weber sind auf dcn Gebieten der Kunst und Wissenschaft Fürste», deren Regiment ohne Grenzen ist. Ein solcher Fürst ist im verflossenen Jahre zur ew'gen Ruhe tingegangen, nachdem er 7Z Jahre auf dieser Erde gepilgert war. Es ist Giacomo Meycrbcer. Der eigentliche Name des entschlafenen Meisters ist Jakob Mayer Beer. Schon dieser Name weist selbstredend auf eine jü dische Abstammung hin, und in der That gehört Mcyerbeer dem Judenlhume an. — Die Familie Beer, in Berlin lebend, ist dort eine