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Leeblingsstellr nannte. Diese Lieblingskelle sollte eine Art Laube vorstellen, an der sich einige Wein- ransen abmühten, sich oberhalb zu einem Dache ju vereinigen. Jndeß mochte ihnen das nicht recht gelingen, so daß 8l«vieo sich veranlaßt gesehen hatte, den Mangel an schattigem Laube durch einige Bündel Kukuruzstroh zu verdecken, die quer über das Laubdach gelegt waren. Eine ringsum füh rende Bank und ein großer viereckiger Tisch, voll endeten das, was der 6v8pan Kapelan seine Lieb- lingsstelle nannte. W-r schien uns nieder. „Sie meinen also wirklich, daß ich nicht brust krank bin?" begann der Kospsn Kapelan, nachdem er einigemale mit einer Tiefe Akhem geholt, die jedem Stabstrompeter Ehre gemacht hätte. „Und was halten Sie von meinem ^tksns8zo? Wenn ich es nur erlebe, daß der junge Mensch auch Kapelan wird! Sehen Sie, wir Grenzer kennen kein höheres Glück. Man ist geborener Soldat. Bringt man es bis zum Offizier, so ist man mit seiner ganzen Familie von allen Grenzverbindlichkeiten befreit. Hat man Söhne, so läßt man sie als Kadetten eintreten, und da hat man auch etwas voraus. Und bringt man es gar bis ,um Hauptmann, so hat man eine anständige Pension und verzehrt feine 600 Gulden in Ruhe und Frieden, wo es Einem gefällt. Mir gefallt es hier. Das ganze Dorf ist nicht älter als mein Pensionsstand. Ein paar Jahre nach dem Frieden von 18l5 habe ich hier das erste Haus gebaut. Die Regierung sieht das an der Milikärgrenze gern und unterstützt es. Nach und nach sind die anderen hinzugekommen, auch lauter penstonirte Grenzoffiziere, und so leben wir in Eintracht beisammen." „Da sind Sie frühzeitig in Pension gegangen, Herr Hauptmann!" bemerkte ich. „Ich war 23 Jahr alt, als ich Hauptmann wurde. Im Kriege, da gebt es manchmal schnell vorwärts. Daß ick nicht Stabsoffizier geworden, daran ist nur die Kleinigkeit schuld, daß, um ein geschickter Stabsoffizier zu sein, es nicht hinreickt, eine Kompagnie geführt zu haben. Ich hatte, um ehrlich zu reden, kein Geschick und wenig Aussicht dazu. Ich habe immer tüchtig drein geschlagen, wo eS eben nur Dreinschlagen galt. Aber zum Stabsoffizier gehört mehr. Ein alter Hauptmann sein, während meine Kameraden den Generalshut trugen, mocht' ick auch nicht, und so ging ich denn noch in den zwanziger Jahren in Pension, baute dies Haus und nahm später eine schöne Korporals tochter zur Frau. Meine Frau ist todt. Draußen hinter dem Dorfe liegt sie begraben. So wir mein Haus das erste hier im Dorfe, so ist ihr Grab auch das erste. Sie ließ mir nichts als meinen ^tkangbjs, und der war vor wenigen Monaten noch Kadett. Just war es 10 Jahr, daß ich ihn als Kadett habe eintreten lassen, als die Armee wieder auf den Kriegsfuß gefitzt wurde. Da wurde er denn vor dem Marsche nach Italien Leutnant und wenige Monate darauf, gleich nach dem ersten Ge fecht mit den Sardiniern Oberleutnant. Ich hab' seit dieser Zeit keine Nachricht von ihm und hab' nur den einzigen Wunsch, ihn als Hauptmann wiederzusehen. Doch sagt mir eine Ahnung: ich seh ihn nicht wieder. — Ach, er ist längst gefallen!" — Einige ziemlich geräuschvolle Versuche zu husten, die offenbar mebren Urhebern anqehörten, unter brachen den 0o8p3n Kapetan in der Entwickelung seiner Schicksale. „Ach, das sind sie, das sind die Anderen!" rief er, indem sich seine derben Züge zu einem höhern Glanz verklärten und er nickt ohne Mühe mit der linken Hand eine etwa kaffeetassengroße Tabaksdose aus einer der vielen Taschen, mit denen sein Rock versehen war', zu Tage förderte und geöffnet auf den Tisch stellte. Wirklich hörte man auch so eben die Garten- thär knarren, und Mann für Mann traten aus den Kukuruzbüschen hervor, 11 theils stämmige, theils schwächliche Gestalten, die ich sofort für die 11 anderen pensionirtrn Offiziere erkennen konnte. Die meisten trugen Ordevskceuze, alle den grauen Rock und das spanische Rohr. Hinterdrein hinkte der Cbirurgus, ein kleines Männchen mit glatt rofirtem Gesicht und kahlem Kopfe, immer lächelnd und sich die Hände reibend. Ohne viele Ceremonien nahmen die Herren einer nach dem andern eine ausgiebige Prise aus des 0v8psn Kapetan umfangreicher Dose und dann ihre Plätze ein. Nur der Chirurgus glaubte das Ceremonfill, das ihm die Etikette in Gegenwart von zwölf Offizieren auferlegte, nicht außer Acht lassen zu dürfen. Er schob daher den reckten Fuß zierlich vor, beugte zugleich das linke Knie, verbeugte sich und nahm, indem er das Gesicht zu einem anmuthiqen Lächeln verzog, einige Stäubchen des Schnupftabaks aus's Niedlichste zwischen Daumen und Zeigefinger, die er dünn eben so niedlich seiner Nase einverleibte, ohne jedoch zu versäumen, sich zu besagtem Zwecke etwas seitwärts zu neigen. Nachdem dies geschehen war, nahm er, der Letzte, auf dem letzten Enoe der Bank Platz, jedoch so bescheidentlich, daß nur die Hälfte seines ohnehin