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Das Künstlersest in Siebeneichen, am 3. Juli 1 862. (Mil Abbildung.) Ein Theil der junge»,n Maler Dresden- und Leipzigs beabsichtigten schon seil längerer Zeit, und seil er sein großes Werk „dieBibel in Bildern" vollen det halte, ihrem hochderühmien Meister, dem Pro fessor und Galleriedicrctor Schnorr vonCarols- feld, ein hervortretendes Zeichen ihrer Anerkennung und Verehrung zu geben. Sie bereiteten mit Um sicht ein Künstlerfest vor, dessen Ausführung, durch mannichfache Hindern ssc ve»zög«rt, endlich am 3. Juli 1862 in dem herrlickcn Parke zu Eiebeneichen bei Meißen statrfand, den der Besitzer nut größter Be reitwilligkeit zu diesem Zweck« der Künstlerschaft zur Verfügung gestellt hatte. Die Hauptbetheiligung fand, wie selbstverständ lich, von Dresden, dem Wohnorte des gefeierten Künstler«, aus statt. Vormittag- ^10 Uhr am 3. Juli fuhren von dort drei mit Flaggen, Schildern, Kränzen und Guirlanden reichgeschmückte Dampf schiffe mit den F-stgebern und zahlreichen Gästen nach Siebeneichen ab. Das mittelste der Dampf schiff, besonder- reich geschmückt und hoch das deutsche lchwarzrothgvldene Banner tragend, hatte den gefeier- len Meister und seine Angehörigen nebst den bevor zugten Gästen an Bord. Die Abfahrt von Dre-den erfolgte unter den Klängen eines von der Liedertafel gesungenen LiedeS. Schon unterweg« mehrfach festlich begrüßt, lan deten die Ankommenden bei Subeneichen unter dem Donner der an beiden Elbufern aufgestellten Böller, und eine zahllose Menschenmenge bedeckte den Auf gang zu dem Parke. Hier wurde der Meister zu nächst durch Gesang der Liedertafel und mit drei fachem Hoch begrüßt, «ährend zwei geschmückte Triumphwagen, der eine mit Rossen, der andere mit Eseln bespannt, und die Repräsentanten der Künste, des Humors rc. tragend, ihn erwarteten und will kommen hießen. Nach dem aufgeschlagenen Festzelte hin bewegte sich nun der Zug unter einer geschmackvoll dekorieren Ehrenpforte hinduich und den von Marschällen ge leiteten Meister in der Mitte. Unter zwei großen Zelten und -n den dazwischen unter prächtigen Bäu men aufgeschlagenen Tischen nahm dann die mehre Tausende umfassende Gesellschaft Platz, gar munter da« geschmückte Frühstück-Buffet in Anspruch neh. wend und herzlich begrüßt von einer Deputation au« Meißen mit dem Herrn Bürgermeister Hirsch berg an der Spitze, die überdies den Künstlern einen Willkommentrunk au« den Meißner Kommunkellern spendete. Unter Musik und Gesang entwickelte sich dann ein bunte- und lustiges Leben. Das für 1 Uhr augesehte Festspiel mahnte gar bald, sich «inen geeigneten Platz zu sichern. Unter geschickrer Benutzung eine« amphilheatralisch aufstei genden und rings mit stattlichen Baumgruppen um gebenen Platzes war die Bühne aufgebaut, die eine vortrefflich gemalte Burgmauer mit drei Thoren dar stellt», deren mittelstes vergittert war und, wie sich später zeigte, die Kunst gefangen hielt, während das rechte Thor von dem Ungetbüm „Langeweile" bewacht wurde, dessen ungeheurer offener Rachen bald auch etwas Aehnlickes über die den Fesiplatz füllenden erwartungsvollen Zuschauer aushauchte; denn trotz dem nach einem kurzen Regenschauer eingetretsnen klaren Sonnenschein und obgleich die angesetzte Zeit längst vorüber, wollte das Festspiel keinen Anfang nehmen, und die aufgestellte Musik konnte ebenso wenig als die freundlich aushelfende Liedertafel den besagten Drachen bannen. Endlich trafen die lange erwarteten Gäste ein und nahmen auf der für sie vorbehaltenen Tribüne Platz. Rach einleitender Musik erschien zunächst auf der Bühne König Lenz mit Blumengeistern im Ge- folge. Er schilderte den anbrechenden Frühling in Natur und Kunst. Aber, sagte er, noch gebe es dunkle Gespenster, und sie zu bannen, würden drei wackere Knappen kommen: That, Wahrheit, Phan tasie. Der Zug entfernte sich, und aus dem Burg- lhor trat der Riese Zopf heraus, wüthend dem Zuge nachschauend und kurz erzählend, wie er die Kunst hier gefangen halte. Da traten die drei, vorhin vom König Lenz genannten Knappen auf, und der Riese rief nun ängstlich aber vergeblich nach seinen Ge treuen: der Afterkunst und den Doktoren Zweifel, Historiku« und Kritikus, um Hilfe. Die Roland«- knappen stürmten gegen da-Burgthvr; Knappe That schlug den Riesen zu Boden und hieb ihm den Zopf ab; Knappe Wahrheit verjagte die Jopfgestalten; Knappe Phantasie tödtele die Drachen. Alle drei Knappen öffneten dann die Gitter dcS Mittelthores, führten die befreite Kunst hervor, und während ihr Wahrheit und That dir Fesseln lösten, trat wieder König Lenz mit den Seinen auf, berührte die Kunst mit seinem Blütgenzweige, dankte den tapferen Be- Melßuer Leckender K.