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spiel, das sich hier entfaltete. In schönster Ordnung gruppirte sich der kolcssale, über 10,000 Mann zah lende Zug in dreifachen Reihen um den Roßmmkt, in dessen Mitte eine Tribüne für den Vorstand des deutschen Schützendundes errichtet war. Gegenüber auf dem Balkon des englischen Hofes befand sich der Herzog von Koburg, von den vorbeizi-henden Schützen freudig begrüßt. Nachdem die Aufstellung erfolgt war, ergriff O. Sigmund Müller, der Vor sitzende des Gesammt-Festausschusses, im Namen der Stadt Frankfurt das Wort und hieß alle zu Ver- herrlichung des ersten Nalionalfestes herbeigekvmmene Gäste willkommen. Er schloß mit einem von den versammelten Tausenden und Abertausende», die nicht blos den Roßmarkt, sondern auch sämmtliche ein mündende Seitenstraßen füllten, mit Begeisterung wiederholten Hoch auf „unser ganzes, großes, hohes, einiges Deutschland"! Hierauf trat der Herzog von Koburg in Begleitung der prachtvollen, großen, von drei kräftigen Männern getragenen Bundesfahne auf die Tribüne. Nachdem sich sämmtliche Vereins- sahnen im Halbkreise um die Bundesfahoc geschämt hatten, sprach er mit fester, weithin schallender Stimme die Weihrede und übergab die Fahne dem Schutze des deutschen Schühenbundes. Unbeschreiblich ist die laute Begeisterung, die zwischen den Theilnehmern am Auge und den in den Häusern, auf den Dächern, auf Gerüsten, Laternen pfählen und allen möglichen erhöhten Standpunkten zusammengedrückten, aus Nah und Fern in unzäh liger Meng» herbeigeeilten Menschen in brausenden Tönen hinauf und herunter, herüber und hinüber wogte. Man muß daS selbst mit erlebt haben, um sich eine Vorstellung zu machen. — Der Herzog trat nun in den Zug ein, welcher unter den stet» sich steigernden Zeichen der hingehendsten Begei sterung von Seiten der ihn umgebenden Menschen massen seinen Weg durch die Stadt fortsetzte. Von den einzelnen Volksstämmen waren besonders die Schweizer, die Kurhessen, die Schleswig-Holsteiner, welche hinter ihrer umflorten Laxdesflagge einher schritten, und die Tiroler diejenigen, denen die Menge die theilnehnitndste Aufmerksamkeit zuwandte. Sie wurden überall mit einem Regen von Blumen und Kränzen überschüttet, unzählige Male angehalten und mit Erfrischungen aller Art bewirthet und dankten dafür durch unablässiges Hochrufen und Schwenken der Hüte. Auf dem Festplatze angekowmen, stellte sich der Zug dem Gabentempel gegenüber auf, worauf!). Pas- savant denFesiplatz mit allen seinen Gebäulichkeiten und Einrichtungen den Festgenvssen in kurzer Rede zur Verfügung stellte. Wir heben hier anerkennend hervor, daß alle beim Empfang der Gäste sowohl als beim Festzuge gehaltene Reden sich ebenso durch Herzlichkeit und freien Sinn als durch Kürze auS- zeichnetcn. Wieder erschallten dem „einigen, freien deutschen Vaterlande" tausendstimmige Hochs, und ein Chor, wie er vollstimmiger noch nie gewesen, sang das deutsche Nationallied. Düse Feier erhielt dadurch noch einen besonder» Reiz, daß ihr die Zeß- jungfrauetr, welche auf den Stufen des Gabeotem- pels Platz genommen halten, gleichsam präfidirlen und von jedem der vorüberziehenden Schützen- und Sängerzüge mit feurigen Hochs und kurzen Ständ chen gefeiert wurden. Vor dem Eingang des Gaben tempels ward inmitten der VcreinSfahncn die ko lossale Dundesfahue aufgestellt. Die anderen Fahnen wurden dann in die Fest halle getragen und dort zwischen den Bannern der deutsche» Bundesstaaten und den schwarzrokhgvldenen Flaggen ausgestellt. Entzückend war der Anblick der weite» Halle, die reich und geschmackvoll mit Blumen und Laub geschmückt und von dem wehen den Fahnenwalde beschattet wurde, während die durch gemalte Papierfenstec einfallende Sonne das Ganze mit magischem Lichte übergoß. Las erste Bankett begann. Es ging nicht mit der Ruhe und Ordnung vorüber wie die Bankette der folgenden Tage. Nicht alle, die mit Karten ver sehen waren, konnten ihren Platz erlangen, denn bald drängte von außen ein gewaltiger Menschenstrom herein und versperrte die Gänge. Alles wollte den Herzog von Koburg sehen, welcher an der Tafel des Central-KomiteS unter der Rednerbühne Platz ge nommen hatte, Alles wollte die Redner hören. Die- Letzte gelang nur Wenigen, denn das Wogen und Summen der zwischen den Tischen auf- und ab drängenden Menschen massen, das Plätschern der Springbrunnen, das Knallen der Büchsen draußen an den Schießständen, der Lärm, der von außen her eindrang, das Alles vereinigte sich zu einem wahr haft betäubenden Getöse. Die Klänge deS starken Orchesters, das auf der Musikgallerie spielte, waren "kaum bi« in die Mitte der Halle zu vernehmen. Trotz dem wurden Reden gehalten und auch stenographirt. Das Letztere war wesse. Denn so konnte man doch andern TagS lesen, was man zu hören nicht vermocht Harle. Die beiden erst?« Toaste wurden von vr. S- Müller auf da« Vaterland und von vr. Rein- ganum auf das Volk und seine Bestrebun gen auSgebracht. Die schweizerischen Kadettcntrsmm» ler und Pfeifer brachten mitten in diesem unbe schreiblichen Tumult den mitspeisrnden Ehrenjuugfraue»