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daS Gchweizerkkeuz am Hute. Auf das Herzlichste und Freudigste bewillkommnet, zogen sie, die Baseler Kadetten'Trommler und Pfeifer voran, in die Stadt. In gleicher Weise fand der Empfang der Baiern, Tiroler und aller anderen Schützen statt, die jedes mal mit wehenden Fahnen und unter Musikbeglei tung ihren feierlichen Einzug hielten. — Zur Freude Aller hellte sich am Sonntag, den 13. Juli, das Wetter auf. Dieser Tag war in jeder Beziehung der Glanztag des Schützenfestes. Noch in der Nacht vom Sonnabend zum Sonn tag strömte der Regen nieder. Die Stadt sah dabei «her einem Feldlager als einer Feststätte ähnlich. Früh 2 Uhr trafen noch verspätete Schützengäste ein. Wer nicht ein ganz sicheres Quartier halt« — und leider hatten nicht alle Schützen durch rechtzeitige Anmeldung dafür gesorgt — der fiel lieher, ehe er in Wind und Welter von Thür zu Thür ging, in das «rste beste noch offene Wirthslokal ein, und wenn er einen Stuhl oder eine Sophaerke erobert halte, so fiel er bald in festen Schlaf, der ihn mit den anderen tvdtmüden Reisenden bis zum anbrechenden Morgen festhielt. Diejenigen waren noch glücklich zu preisen, die ein Strohlager in irgend einem Ge wölbe gefunden hatten. Am folgenden Tage glich sich das Aves aus. Es waren Wohnungen genug da, die der Gemeinsinn der Frankfurter Bürgerschaft über Bedarf zur Verfügung gestellt hatte. Außerdem waren große Räume, öffentliche Säle, Schulen u. dgl. zur Massenaufnahme von Schützen hergerichtet wor den, so z. B. die Lcderhalle, in dec 350 Schweizer unt^rgebracht waren. Dabei hatte man Alles so umsichtig, so bequem emgerichlet, daß an das Unbe hagen, daS sonst mit solchen kascrnenarligen Unter kommen verknüpft ist, gar nicht gedacht werden konnte. Die Lederhalle ist ein großer, hoher Raum mit breiten Gallcrien an den Seiten und quer durch die Mitte. Rings an den Wänden herum und oben auf den Gallerien standen in gehöriger und regel mäßiger Entfernung von einander die Belten, sehr einfach zwar, aber Alles ganz neu, Belten wie Bett zeug. Jedes Bett hatte seine Nummer, welcher eine zweite an einem langen Tische, ferner an einem Stuhl und ebenso an einer längs der Wand hin laufenden Kleiderhänge entsprach. Auf dem Tische standen bei jeder Nummer die zu einer Waschtollette gehörigen Gegenstände, wieder Alles ganz neu und frisch,, an der Kleiderhänge war je ein Doppelhaken. Der ganze Raum war neu angestrichen und mit den Fahnen und Wappen der Schweizerkanlone ausge schmückt, wie auch daS Gebäude von Außen bekränzt, sahnengeschmückt und mit Bildern aus der Schweizer geschichte geziert, so daß das Ganze den freundlichste» Eindruck machte. ? Außerdem waren in den Seiten flügeln Kcnversaticns-, Lese- und Schreibzimmer, so wie Krankenzimmer eingerichtet. Ein Arzt kam jeden Tag und erkundigte sich nach dem Wohler gehen der Schweizergäste. Jeden MorqRr um 5 Uhr rückten 25 Soldaten zum Kleiderreinigen und später eine entsprechende Anzahl Mägde zum Betimachen und Reinigen ein. Es waren Tag-, Nacht- und GaSwächter, Hausmeister angestellk — kurz Alles auf's Beste eingerichtet, so daß dabei die Schweizer, denen dabei ihr angeborener Organisationssinn zu Stallen kam, sich in ihrer idealisirten Kaserne recht wohl befanden und sie den „Schweizerhof" nannten, welchen Namen die Lederhalle behalten hat. — In ähnlicher Weise waren die Massenlskalc eingerichtet, selbst in den benachbarten Ortschaften. Die Werth- Heimer Schützen hatten sich ein Schiff gemiethet, in dem sie gen Frankfurt fuhren, und auf dem sie wäh rend deS Festes die Nächte zubrachten und deS Mor gens gemeinschaftlich frühstückten. Am Sonntag früh hatte der Regen aufgehört, und hie und da stahl sich ein Svnneablick durch die Wolken. Schon frühzeitig füllten sich die Stra ßen mit einer hin und Ker wogenden Menge. Au allen Thoren strömte die Masse deS Landvolks schaa- rcnwelse herein; jeder Eisenbahnzug brachte noch immer Tausende von Fremden. Allein auf der Offen bacher Bahn sind an diesem Tage 17,000 Fahr karten ausgegeben worden. Mil Mühe drängten sich die Stützen durch das Gewühl nach ihrem Auf- stellungSplatz, wo sie theilweise Gegenstand heiterer Neugier wurden, so besonder« die dort ganz neuen Erscheinungen der uniformirten nord- und mittel deutschen Schützengilden, deren gravitätische Abge sandte reichgestickke und mit Fangschnüren, silbernen Epauletten u. dergl. versehene Uniformen, schwere, aus einzelnen Schildchen bestehende silberne Ehren ketten, GeneralShüte mit wallenden Federbüschen, gewaltige Schleppsäbel trugen. Diese Gestalten, so wie die Tiroler in ihren verschiedenen malerischen Nationaltrachten wurden von der Menge eifrig be gafft. Im Ganzen herrschte aber die graue Schützen jupe mit grünem Stehkr.rgen, dazu grüner Jägerhut, vor, und gar mancher von den soeben beschriebenen bunt aufgeputztcn Schützen vertauschte noch in Frank furt seine fast zu glänzende Uniform mit dieser ein fachen, aber geschmackvollen Bekleidung. Der Festzug setzte sich Vormittag 11 Uhr in Bewegung und dauerte mit seinen vielfachen Ab wechselungen fast 5 Stunden, bevor er durch di« Hauptstraßen der Stadt auf dem Festplatze anlaogte.