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Das deutsche Schützenfest in Frankfurt a. M. vom 13. bis 22. Juli 1862. (Mit Abbildung.) Auf dein im vorigen Jahre in Gsrha abge> haltenea deutschen Schützen feste, dessen Be schreibung der vorige Jahrgang Uisserö Kalenders enthält, ward unter dem Vorsitze dcS Herzogs Ernst von SachsemKvburg-Gotha die Gründung des all gemeinen deutschen Sch Ützenbundes be schiessen und sofort ausgeführt. Der Herzog über nahm den Ehrenvorsitz dieses Schützenbundes, der in allen deutschen Ländern begeisterte Mitglieder fand und sich mit einer Schnelligkeit verbreitete, wie sie nach den Jahren rücksichtslosester Reaktion auf der einen und tiefster Abspannung auf der andern Seite kaum erwartet «erden konnte. Die Abhaltung des ersten allgemeinen deutschen BundeSschießens ward auf den 13. Juli 1862 festgesetzt und als Fesloct d,e alte freie Reichsstadt Frankfurt am Main bestimmt. Dort wußte man die Ehre, der erste deutsche Schützen festort zu sein, vollkommen zu würdigen. Em Ko- mite bildete sich unter dem Vorsitz des t). S. Mül ler, und nicht leicht hak «in Festkonti!« seine schwie rige Aufgabe würdiger, großartiger, freudiger gelöst alS das Frankfurter, der sich nach und nach, je mehr die Aufgabe wuchs, bis über 300 Mitglieder ver stärken mußte. Da für solches Fest in Deutschland noch gar keine Erfahrungen vorlagen, während in der Schweiz alljährlich große Schützenfeste gefeiert werden, so erbat sich der Festkomite den Rath und die Unterstützung des Schweizer Obersten von Küßnacht, die in der bereitwilligsten und ausgiebigsten Weise gewährt wurden. Die eigentlichen Schießeinrichtüngen sind ganz nach den Anordnungen des Schweizers getrof fen worden. Der Raum, welchen der Fesiplatz einnahm, beträgt etwa 25 Morgen und ist, soweit er der Gemeinde Bornheim gehört, unentgeltlich her gegeben worden. Nur ein einziger Grundbesitzer, dem 10 Morgen von dem erforderlichen Areal ge hören, Hal sich dafük eine Entschädigung von 600 Gulden zahlen lassen) Neben dem Fesiplatze auf der soqenannlen Bornheimer Haide bieikele sich eine kleine Stadt von V rkaufSbuden, Buden mit Sehens- wrud gleiten, Tanzsalons, Karoussels u. dergl. aus. Auf dem Festplatze selbst waren erbaut: die Fest Halle mit Küche und Kellerei, die Schießhalle und der Gabeniempel. Zu diesen Festbaukcn sind 312,000 Ellen Holz, theilS Rundholz, theils Brcter, vecweudrt wor den. Die Anzahl der verbrauchten Nägel beträgt über tä- Million. Die Festhalle bildete m t Küche und sonstigem Zubehör ein 410 Ellen langes und l64 Ellen drei» tes Kreuz, innen mit geschmückten Säulen und Gal- lerien versehen, und vermochte etwa 6000 Personen aufzunehmen. Dem Haupteingange gegenüber befand sich die Rednerbührie und der Stcncgraphenlisch. Die weite Halle faßte über 200 Tische zu je 25 Per» sonen. Ueber dem Haupteingange sah man im Gibel- felde die Germania, den deutschen Stämmen die Waffen überreichend. Im Innern sind bildliche Dar stellungen der vier Hauptkämpfe der Deutschen gegen die Römer, Hunnen, Türken und Franzosen ange bracht und zwischen ih'nen das Bild Karls des Gro ßen im vollen Kaiserornat, dann die Bilder Her mann« des Cheruskerfürsten, des Kaisers Otto I., Blüchers und des Fceiherrn vom Stein. Hinter der Festhalle und mit dieser in unmit telbarer Verbindung standen Küche und Kellerei gebäude, Vorrathskammern ic. Die Küche war 200 Ellen lang, mit lauftnd.m Wasser und mit einer Dampfmaschine versehen. Zu ihren beiden Seiten befanden sich die Speisekammern, Büffets, Kondi toreien, Eisanstalten, Wein- und Bfeibüreaus. Die Geschäftsleitung für die Festhalle und die Bierlokale auf dem Festplatze war dem Gastwirlh Guggenbübl aus Zürich, Küche und Rechnungswesen Herrn Haf ner, ebenfalls Gastwirlh zu Zürich, übergeben. Das Verwaltungspersonai dieser Lokalitäten bestand aus r Buchhalter, 40 Kaffenbeamter:, 5 Kon- troleuren, 1 Hausmeister, 1 Kellermeister, t Ober kellner, 13 Scklionschefs, 135 Aufwärtern, 65 Kü fern, 5 Köchen, 10 Kochfrauen, 100 Kückenmädchell, 24 Trancheurs, 16 Bierburschen, 10 Tagelöhnern, 16 Konditocgehilfen, 10 Gehilfen dec Gasanstalt, 2 Ausläufern, 2 Portiers. Die Frankfurter Flei scher hatten die Lieferung von täglich 4 fetten Och sen, 25 Hammeln, Kälbern und Schweinen, die Bäcker von 16,000 Stück Kreuzerbrödchen und 1006 Stück Drcipfnndbroden übernommen, doch zeigte sich schon am ersten Festtage, daß diese kolossalen Lie, serungen bei Weitem nicht ausreichken. Am ersten Tage war Frankfurt buchstäblich ausgezehrt. Kein Bäcker, kein Fleischer, kein Restaurateur in der gan zen Stadt halte noch Vorrälhe. Es mußten noch am Nachmittage und die ganze Nacht hindurch fast übermenschliche Anstrengungen gemacht werden, um von auswärts Zufuhren zu beschaffen. Ein einziger Neuer Kalender F.