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HandrlSministerS von der Heydt, der seit 1848 allen Ministerien ununterbrochen angehört hat. Dieser bildete ein neues Ministerium aus fast ganz unbekannten Leuten. Soll man das neue Mini sterium mit e»n em Worte bezeichnen, so kann man es ein reaktionäres nennen. Nach jahrelangen Verhandlungen kam endlich zwischen Preußen, Na mens des Zollvereins, und Frankreich ein Han delsvertrag zum Abschluß, welcher nun zunächst den einzelnen Zollvereinsregierungen zur Zustim mung mitgetheilt wurde. — Aus den dem Reichs« rathe gemachten Mittheilungen erfährt man, daß die österreichische Staatsschuld nicht mehr und nicht weniger als 2888 Millionen Gulden beträgt. Am 20. starb in Wien der Feldmarschall Fürst Win- dischgrätz, bekannt durch das Bombardement Prags im Frühsommer 1848 und die Einnahme Wiens nach dem Octoberaufstand, ebenso auch durch seinen mißglückten Feldzug gegen Ungarn, wo Görgey ihn wiederholt schlug, und durch die ihm in den Mund gelegte übermüthige Aenßerung: für ihn fange der Mensch erst mit dem Baron an. Sonach würden in den Augen des durchlauchtigen Fürsten die Leser unsers Kalenders zum bei Weitem größten Lheile keine Menschen sein. — Auch der russische Reichskanzler Graf Nesselrode, der fast ein hal bes Jahrhundert lang von Einfluß auf die rus sische Politik gewesen, starb am 23., ebenso in Hamburg der frühere schleörvig-holsteinische Artil- leriemajor Junkmann, der Sieger vpn Eckernförde am 2. April 1849. — Der italienische Minister Ricasoli, der Nachfolger de» verstorbenen Cavour, trat ab. Ihn ersetzte als Minister Ratazzi, dem man nicht mit Unrecht zu weit getriebene Unter werfung unter den Wissen Napoleons Ul. nachsagt. — Nachdem die Unionstruppen auch in Florida glückliche Fortschritte gemacht, erläßt der Ober general M'Clellan eine Proklamation an seine Truppen: der Augenblick zum Handeln sei gekom men; dennoch aber handelt er nicht. — Besorgt durch die Fortschritte der in Mexiko pingerückten Alliirten fand sich der Präsident Juarez bereit, die verlangte Genugthuung zu geben. In So- lidad ward eine Convention unterzeichnet und darauf die Feindseligkeiten eingestellt. Hierauf verließen die Engländer und Spanier Mexiko wieder. Der Kaiser der Franzosen hingegen verwarf die Konvention und schickte seinen Trup pen den Befehl, die Feindseligkeiten wieder zu beginnen und nach der Hauptstadt Mexiko selbst vorzudringen. Gleichzeitig ließ er dem Erzherzog Max, dem Bruder des Kaisers von Oesterreich, die mexikanische Kaiserkrone anbieten, der sich aber über die Annahme noch nicht erklärte, wohl ein gedenk der alten Fabel vom Jäger, welcher das Fell verkaufte, noch ehe er den Bären hatte. April. DaS neue preußische Ministerium schrieb die Wahlen zum Abgeordnetenbause aus. Die einzelnen Minister erließen jeder für die Be amten seine- Ressorts Reskripte, in denen diese theils versteckt, theils offen vor der Wahl von Oppost- tionSkanditaten gewarnt wurden. Diese Beeinträch tigung der verfassungsmäßigen Wahlfreiheil ver fehlte vollständig ihren Zweck. Sie erbitterte selbst solche Urwähler, die eigentlich nicht oppositionell gesinnt sind, und rief eine große Anzahl von Rechts verwahrungen hervor, von denen die der Berliner Universität durch die Stellung derselben wie durch ihre würdige, entschiedene Haltung den tiefsten Ein druck machte. Am 29. fand die Wahlmännerwahl unter außerordentlich lebhafter Betheiligung der Urwähler statt und fiel fast überall auf Oppositions männer. — In Hamburg trat am 15. die Kom mission von Offizieren zusammen, welche Pläne zum Schutze der deutschen Küsten entwerfen sollen. Sie haben die Küsten böreist, viel und lange be« rathen und endlich nichts als „schätzbares Material" zusammengebracht. — Am 26. erließ die kurfürst lich hessische Regierung eine Wahlverordnung, wor« nach zu der wiederum angeordneten Laudtagswahl niemand zugelaffen werden sollte, der nicht vorher die Verfassung von 1860 zu Protokoll anerkannte. — Der dänische Reichstag bewilligte 1 Million zum Bau von Panzerschiffen. — Der »monistische General Buttler eroberte New-Orleans, die größte und wichtigste Stadt des Südens. Mai. Am 7. sanden in Preußen die Abge« ordnetenwahlen statt. Wie aus dem Ergebniß der Wahlmännerwablcn vorauSzuseben war, fielen sie fast ausschließlich auf Demokraten und Liberale. Die Junkcrpartei brachte nur ll ihrer Kandidaten durch. Bon den Ministern ward kein einziger gewählt, selbst von der Heydt, der seit 1847 ununterbrochen seine Vaterstadt Elberfeld vertreten hatte, fiel dort und überall durch, wo er als Kandidat aufgestellt worden war. Der Zusammentritt de- neuen Land tages erfolgte unter wechselseitigen Hoffnungen und Befürchtungen. Die Regierung befürchtet nur Recht, daß das Abgeordnetenhaus die ohne Zustimmung der früheren Landtage vorgenommene Vermehrung, die fast eine Verdoppelung war und „Reorganisation" genannt wurde, des stehenden Heeres und das damit gewaltig «»geschwollene Kriegsbudget verwerfen werde; und das Abgeordnetenhaus hoffte mit Unrecht, daß das Ministerium vor der imposanten Mehrheit der Abgeordneten znrücktreten werde. — Bei dem Bun destage ging am 8. eine Beschwerde, kurhesstscher Staatsangehöriger gegen die letzte Wahlverordnung