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Unabhängigkeit von der österreichischen Regierung betonenden Ungarn schritt diese Regierung kräftig ein. Alle ungarischen Behörden, die sich weigerten die vom Landtage nicht bewilligten Stenern zu erbeben und die gleichfalls nicht bewilligte Rekruten« ausbebung zu vollziehen, wurden abgcsetzt. So gelang es der kaiserlichen Regierung, Steuern und Rekruten zu erlangen; von einer Verschmelzung aber Ungarns in den österreichischen Gesammtstaat blieb sie weiter entfernt als se. — Die in Rußland herrschende allgemeine Aufregung fand auch bei den Studenten der Universitäten Petersburg, Mos kau und Kiew Ausbruch, was die Schließung dieser Universitäten auf mehre Monate zur Folge batte. — Der Kaiser der Franzosen giebt der Schweiz fortwäbrende Ursache zu Besorgnissen. Ziemlich unverhohlen spricht man es in Frankreich aus, daß dasselbe zu seiner Abrundung eines TbeilcS der Schweiz bedürfe; ob die Schweiz sich abrun den lassen wolle, darnach scheint man französischer Seits nicht zu fragen. Doch wehrt sich die kleine gesunde Republik recht kräftig gegen jeden, wenn auch unbedeutenden Versuch des großen Nachbars, ihre^Unabbängigkeit zu verletzen. Weil die euro päischen Fabriken in Folge der langen Dauer des amerikanischen Krieges Mangel leiden an ameri kanischer Baumwolle, hält sich Frankreich, das sich in Alles mengen zu dürfen glaubt, für berechtigt, sich auch in die amerikanischen Wirren zu mischen, und möchte England zur Mitwirkung veranlassen. Diese- aber weist derartige Zumutbungen zurück. November. Unter lebhafter Betheiligung fan den in Preußen die allgemeinen Wahlen für da» Abgeordnetenhaus statt und sielen zum größten Theil auf Anhänger der Fortschrittspartei. Der König sprach seine Unzufriedenheit über dies Er- gebniß der Wahlen bei mehren Gelegenheiten aus. Mißbräuche und Betrügereien der verschiedensten Art hatten sich unter der Herrschaft der Reaction bei der Berliner Polizei eingebürgert. Es ist als ein Sieg der öffentlichen Meinung zu betrach ten, daß endlich doch die richterlichen Behörden 'einschreiten mußten. Der bekannte Polizeidirector Stieber »ar schon vor längerer Zeit auf Warte geld gesetzt worden. Sein Genosse der Polizei oberst Patzke entfloh, ward aber in Schweden an gehalten und in ein Berliner Gefängniß zurückge bracht. Einige kleinere Polizeibeamte waren eben falls verhaftet. Nach langer Voruntersuchung ward Patzke zu vierwöchentlichem, zwei andere Polizei beamte zu mehrjährigem Gefängniß verurtbeilt. — Der an der österreichisch-türkischen Grenze noch immer mit abwechselnden Erfolgen währende Krieg zwischen den Türken und den Montenegri nern veranlaßte den österreichischen Militärkom mandanten von Dalmatien, mit einer Brigade die Grenze zu überschreiten und einige von den Mon tenegrinern errichtete Batterien zu zerstören, die nach österreichischer Behauptung die Sicherheit ihrer Militärstraße gefährdeten. Ohne Blutvergießen kehrte die österreichische Expedition andern Tages in ihre Standquartiere zurück, der Diplomatie . Veranlassung zu langem Depeschenwechsel gebend. — Der schlechte Zustand der französischen Finanzen und der ebenso schlechte Zustand des französischen Kredits veranl.rßte den Kaiser, unter Ernennung des jüdischen Bankier Fould zum Finanzminister bekannt zu machen, daß künftig daS Budget dem gesetzgebenden Körper zu speziellerer Prüfung vor gelegt, sowie daß keine Zusatzkredite mehr verlangt werden sollten; ein Versprechen, das ebenso schnell verletzt als gegeben wurde, Verletzungen der Schweizer Grenze bei Genf durch Franzosen wur den von den Schweizern ernstlichst verbeten. — Am 6. starb am Typhus der Jnfant Fernando, ein jüngerer Bruder des Königs von Portugal; am N. der König Pedro selbst, dem sein BrnderLoniS auf dem Throne folgte, und am 29 Dez. starb dessen jüngster Bruder, ebenfalls am Tvpbns. Es konnte nickt fehlen, daß Gerückte über Vergiftungen in Umlauf kamen, und daß diese Gerückte zu Unruhen führten. Um die Ucbertragunq der portugiesischen Krone an ein fremdes Königshaus möglichst zu vermeiden, da nur noch 4 männliche Augen da waren, ward den CorteS ein Gesetzentwurf vor gelegt, daß bei Aussterben der männlichen Linie die Krone auch auf der weiblichen erblich sein solle. — Die amerikanischen Rebellen batten zwei geheime Abgesandte Mason und Slidcll nach Eu ropa geschickt, damit diese in England und Frank reich auf Unterstützung und Anerkennung der rebel« scheu Südstaaten binwirkcn möchten. Diese beiden Herren waren zunächst nach Westindien gegangen und hatten sich dort auf einem englischen Post« schiffe nach Europa eingesckifft. Dieses englische Sckiff ward unterwegs von dem amerikanischen Kriegsschiffe „Jacinto" angehalten, die beiden Abgesandten vom Bord gebolt und als Gefangene nach Amerika zurüekgebrackt. In England erregte diese angebliche Beschimpfung der cngiischen,Flagge die größte Erbitterung, während der amerikanische Kongreß dem Kapitän des „Jacinto" Dank votirte. Die Unionisten eroberten in diesem Monat Beau« fort und Pensacola. Dezember. Die preußische alte Korvette „Ama zone", die als Kidettenschiff eine WinterübungS« fahrt nach der Bay von BiScaja machen sollte, ging in der Nordsee in der Nähe der holländi«