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selte, durch keine Rücksichten beengte Wiedergabe des Gedankens. Dem gegenüber hatten die Deutschen einen schweren Stand und die deutschen Redner haben denn auch in der That denen der Schweizer, nicht den Italienern nachgcstanden. Es rst eine unserer nationalen Untugenden, daß wir den Fremden gegenüber stets mehr conce- Viren als Roth thut und wir sollten, zumal wenn wir als Repräsentanten des Deutschthums im AuS- lande erscheinen und zu fremden Nationen sprechen, vor allen Dingen unsere nationale Sprache nicht verlassen. Kein Engländer oder Franzose würde in dieiem Falle anders als in seiner Muttersprache reden. Der nationale Stolz und das nationale Bewußtsein, den man von dem Deutschen gerade im Auslande verlangen muß, hätten aber vollends unsere Redner abbalten sollen, in allzu überschwäng licher Begeisterung Alles zu preisen und zu loben, was ihnen in der Schweiz vorgesührt wurde, oder, wenn sie eS nicht küssen konnten, so hätten sie zum wenigsten nicht dem Auslande gegenüber der Miß stände im eigenen Vaterlande, unserer politischen Schwächezustände und unserer Nullität in Rarhe der Nationen gedenken sollen. Wahrlich, wir wer den den auswärtigen Nationen keine Achtung vor unserem Volke abringen und wir haben keinen Anspruch darauf, wenn wir uns nicht scheuen, während wir das Fremde bewundern, unsere eig nen Schwäche» zpr Schau zu tragen. Die Deutschen hätten sich in dem, was zu sagen war, vor allen Dingen der Einfachheit und Würde befleißigen sollen, sie hätten uns so am Besten angestanden, aber nur sehr wenige unserer Redner wußten das rechte Maß einzuhalten. Nicht selten , liebten eS einige Sprecher, sich in jenen thränen« feuchten Gefühlsergießungen zu ergeben, welche kein Auge der Zuhörer trocken und Alles in volb ständiger Rührung zerfließen sehen. Der Thräne geschah überhaupt wiederholt Erwähnung und mehr als ein Mal ist die Versicherung ertheilt worden: Kein Auge der deutschen Landsleute sei — es soll bei dem Manöver der schweizerischen Jugendwehr gewesen sein — trocken geblieben. Ich kann es bei dieser Gelegenheit nicht un terlassen, darauf binzuweiien, wie sehr es unser» Festen fltoth thut, in der Rede das gehörige Maß einzuballen und namentlich jene, neulich sehr treffend genannte „Gefühlsduselei" bei Seite zu lassen. Es ist nichts gefährlicher für eine gesunde Fortent wickelung der seit einigen Jahren angebahnten Reform des deutschen Schützenswesens, nichts ist so sehr geeignet, das Interesse aller verständig den kenden Männer der Nation davon abzuwcnden, als wenn die Tribüne der Festballe auf deutschen Schützenfesten polilistrenden Renommisten undPhra- senhelden überlassen wird. > Soll ich in kurzen Worten den Eindruck be zeichnen, welchen die Deutschen aus der Schweiz mit nach Hause gebracht haben, so ist es einer seits allerdings die Ueberzeugung, daß die Vor- urtheile, welche früher hier gegen unser Volk im Lande der Eidgenossen herrschten, wohl verschwun den sind. Sie meinen es in der Tbat ernsthaft mit ihrer Freundschaft und überall haben sie in ihren Reden die höchste Achtung vor deutschem Wesen und Streben an den Tag gelegt. „Die Deut schen sind ein wackeres, biederes Volk; ihr habt große und vortreffliche Eigenschaften, große Philo sophen und Denker hervorgebracht; wir wünschen eurem Streben nach nationaler Einigung daö Beste und nichts mehr, als die Deutschen einmal als ein einiges Volk auftretea zu sehen!" Das waren ungefähr die Worte fast in jeder Rede, mit wel cher die Deutschen auf schweizerischem Boden be. grüßt wurden. Wir konnten bei diesem kleinen Volke der Schweizer der Freiheit ihrer politischen Institutionen, ihrer nationalen Wohlfahrt und ihrem einheitlichen Zusammenleben nur unsere Ach tung zollen und von ihnen lernen, Es würde, um das schließlich noch zu erwäh nen, sehr mißlich sein, wollte man eine Parallele zwischen dem Natioualfeste der Schweiz und dem jenigen ziehen, welches in Frankfurt a. M. ge feiert worden ist. Die Bezeichnung als eines wahrhaft nationalen Volksfestes, wie sie für die eid genössischen Zreischicßen allerdings zulässig ist, wird eben so lange für die deutschen Feste nicht zu treffend sein, als wir das Ziel unseres gemeinsamen nationalen Strebens nicht erreicht haben. Tenn während diese Feste in der Schweiz die Folge und der Ausdruck nationaler Einheit sind, sind sie bei uns nur einer der vielen Hebel, welche den Zweck haben, das nationale Streben und Zusam menleben zu fördern und die widerstrebenden Ele mente unseres Volkes einander zu nähern.