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fangen und damit spurlos auf ewig im Kerker verschwunden oder erschossen — Schicksale, von denen wir kaum eine Abnung baden mögen und zuletzt dann wieder eine tiefe Todesstille im Polen lande bis frische Jugend berangewachsen, um auf'S Neue für Freiheit zu schwärmen und zu sterben. Die Welt bat jetzt wieder seit Monaten Tag für Tag von solchen Scenen neuen Leben- und Ster bens gelesen. Bald siegreich, bald unkerliegend, baden die russischen Polen ibren Aufstand gegen die mächtigste Ungunst der Verhältnisse lange auf recht zu erhalten und durch die beldrnmütbigsten Opfer von Gut und Blut zu nähren verstanden. Ein einziger Sieg, wenn auch ost nur ein un bedeutender, ermuthigt und begeistert sie immer wieder zu unerbörten Anstrengungen und Opfern. Namentlich find fie im April und Mai mehr mal- durch List erfolgreich gewesen. Die Sieger wurden damals mit einem Jubel empfangen, der nur nach solchen unerwarteten GlückSsällen und nur bei einem so fanatisch-patriotischen Volke möglich ist. Aus allen Fenstern wehten polnische Zahnen. Der bärtige Anfübrer und die Seinen wurden auf einem Triumphwagen von Menschen durch die Stadt gezogen. Die drängende, kreischende, jubelnde Meuge schwang Mützen und Hüte und alle Arten von Waffen und schüttelte dem Anfüh rer so lange die Hände, bi» fie wund waren. So tobte die Prozession Stunden lang durch alle Straßen der Stadt und jubelte bernach die ganze Nacht hindurch auf Kosten der russischen Kassen, die in ihre Hände gefallen waren. Solche Stege find mehrere gefeiert worden, aber noch kein ent scheidender. Miscellen und Anekdoten. Swift und der Advokat. Ein Advokat, der mit dem berühmten Humo risten Swift in Gesellschaft war, batte den un glücklichen Einfall, ihn necken zu wollen, und legte ibm die Frage vor: „Wenn die Geistlichkeit und der Teufel in einen Prozeß verwickelt wären, wer würde gewinnen?" — „Es versteht fich von selbst, der Teufel," antwortete Swift, „denn er hat ja alle Advokaten aus seiner Seite." Ist das Bordeaux? Ein junger, lebensfroher Dichter hatte einst einen weiten Spaziergang gemacht und kam in der Dämmerung an dem Pastorat seines Freundes D. vorbei. Du mußt doch guten Abend sagen, dachte er. Der gutmüthige Landpfarrcr freute sich über den Besuch und sprach: Karl, Du bleibst diese Nacht bei uns! — „Nein, Freundchen, das gebt nicht. Aber gieb mir ein Gla» Wein, ich bin etwas echausfiit." — Gern! Du sollst ein gutes Glas Bordeaux haben. Frau! hole 'ge- schwind eine Flasche Rothwein. Die Frau kommt, es wird cingeschenkt und der Dichter trinkt. — „Pfui Teufel! Ist das Bordeaux ? " - Der Pfarrer befiehl die Flasche und ruft entsetzt: Frau! was machst Du? Das ist ja die Wichsflasche. Der Jude vor Gericht. Ein Jude stand vor Gericht, verklagt wegen einer Schuld von 50 Thalern. „Mai Heu Richter, hat er gesagt, „bin ich doch nix schuldig. Bin ein ehrlicher Mann, der bezahlt. Ich will'« be schwören 100 Mal, ja 1000 Mal!" Der Richter ermabnte ihn, nicht zu schwören, weil er bei fich die Ueberzeugung lbattc, daß der Jude falsch schwören würde. „Mai Herr Richter, ich schwöre, ich kann«! Halten Sie mich nicht auf." — Gut denn! sagte der Richter und öffnete das Fenster, so schwöre! „Herr Richter, warum öffnen Sie denn'» Fenster?" — Meinst D», daß daS Gericht auch noch die zerbrochnen Fensterscheiben bezahlen soll, wenn der Teufel hereinfährt, um Dein« Seele zu holen? — — Der Jude erschrak und sagte: „Herr Richter, machen Sie das Fenster zu, ich will bezahlen!" Ein armer Poet hatte ein Gedicht an einen Pastetenbäcker gerichtet; dieser lud ibn zu Lisch«. Zuerst aß unser Dichter mit gutem Appetit, bald aber verging ihm dieser, denn er bemerkte, daß das Papier, auf dem die Pastete gebacken war, das Manuscript seiner Verse sei. Er konnte sei nen Unwillen nicht verbergen und beschwerte fich gegen den Gastgeber. „Ei", sagte dieser, „da können Sie doch nicht übel nehmen! Erst jetzt find wir quitt. Sie haben Verse auf meine Pa steten, und ich Pasteten auf Ihre Verse gemacht." „Welche Religion, Herr Commerzienratb?"— „„Ebristlich."" — „Evangelisch oder katholisch?" — „„Aus Details lass' ich mir nicht ein.""