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Wasser klatschten und sich die Leute auf dem Deck nicht mebr zu halten vermochten, so daß ste ent- weder von den Überschlagenden Wogen mit fort« gerissen wurden, oder sich in Masten und Tauen und Tafelagen fcstklammern mußten. Um die be, schwerliche und gefährliche Rettung vermittelst der Boote anderweitig zu unterstützen, batte man von der Vorderseite des Schiffe- her Taue an'S Land herübergezogen, an welchen man einen Korb bin- und zurückgleiten ließ. Der Korb faßte freilich nur zwei Menschen auf einmal oder je eine er wachsene Person und zwei Kinder. Dock gelang es auf diese Weise manche Mutter mit ihren Kin« dcrn zu retten. Endlich aber ward auch dieser gefährliche Luftweg der Rettung unmöglich. Das Schiff legte sich zuletzt ganz auf die Seite, so daß die Masten und Strickleitern, noch voller Menschen hängend, in die Wogen herabpeitschten, welche die Unglücklichen davon wegspülten und verschlangen. Al» endlich nach dieser schrecklichen Nacht der Tag anbrach, zählte man nur 207 Personen auf dem nackten Felsenufer. Die größte Hälfte, d. h. 237 Personen, war eine Beute des Meeres ge worden und lag in der Tiefe. Zum Glück für die Ueberlebenden — unter diesen freilich nicht wenig, die ihre Eltern, ihre Kinder, einen oder mehrere ihrer Lieben lange vergebens gesucht hatten, bis sie die schreckliche Gewißheit erkannten - kam bald ein Dampfschiff in Sicht, das man durch Signale herbeirief, so daß die Geretteten wenigstens mit ihrem Leben davon kamen, nachdem sie alle ihre Habe, zum Theil sogar ihre nothwendigsten Kleidungsstücke verloren hatten. Ja, das Meer fordert alle Jahre viele Tau sende von Opfern, darunter leider noch viele, die an den Folgen schlechter und leichtfinniger See« mannSkunst zu Grunde gehen. Der polnische Ausstand. Wir wissen Alle, daß fich die Polen in Ruß land wieder einmal in Massen erhoben haben, um ihre Freibeit zu erkämpfen. Schon so ost niedergeschlagen und gleichsam in Ketten und Ker. ker geschlossen, nachdem fie ihre besten und kräf tigsten Söhne in Revolutionen verloren hatten, schon so oft als todt und unrettbar verloren er klärt, haben fie fich immer wieder erhoben und eine Begeisterung, einen Todesmuth, eine Auf opferungs-Freudigkeit für ihre immer noch nicht aufgegcbenen Freiheitshoffnungen bewiesen, daß alle Nationen mit ihnen Sympathie fühlten und ihnen gute Erfolge wünschten. Zu wirklicher Hilfe lassens die Machthaber anderer Staaten nicht kommen. Auch sagen Biele, die mehr Einsicht als Begeisterung haben, daß Polen nie wieder ein selbstständiger Staat werden könne. Mit den Wünschen und Beifallsbezeugungen anderer Völ ker können fie nichts anfangen. Uns interesfirt hier auch nicht die politische Seite der Frage, wir nehmen als Menschen nur einen menschlichen Antheil, der gewiß in jedem edeln, fühlenden Herzen oft 'zum tiefsten Schmerze wird, wenn man fich da» Leben und Treiben, die Opfer und die Leiden der Insurgenten näher anstebt. Wie oft schon zogen die Männer, Läter, Söhne — Manchmal noch bloS Kinder — ganzer Dörfer aus, verließen Weiber und Kinder, Mütter und Schwestern, Geliebte und Bräute und gingen unter den Segenswünschen ihrer Lieben, die fie zum Dorfe hinaus begleiteten, getragen und be flügelt von ihren eigenen schönsten, aber trügeri schen Hoffnungen, in Elend, Tod, Gefangenschaft, Kerker und Verbannung — als Lebende dann oft viel schlimmer daran, als die im Kampfe Ge fallenen. Welche herzzerreißende Schauspiele! Bisher friedliche Bürger und Bauern bewaffnen fich und ziehen aus unter die Insurgenten —Män ner, Frauen, Kinder und Greise — Alles eine große, gewaltige, fanatische Begeisterung. Die Familienmitglieder geben ihnen daS Geleite, weit hinaus aus dem Dorfe. Endlich scheiden fie von einander, hoffend und in Todesfurcht zugleich. Diese Tbränen, diese Umarmungen, diese Küsse, diese Segnungen, diese heißen, leidenschaftlichen Gebete gen Himmel, der so ost angefleht für Po« lens Freiheit, ebenso wenig that, als die Menschen auf der Erde — dann die Rückkehr in die traurig verwaiste Heimatb, dann das Forschen und Fragen nach dem Schicksale ihrer Lieben, die wieder sprechenden Nachrichten und quälenden Zweifel — endlich eine sichere Kunde, nach der anderen: im Kampfe gefallen, im Lager oder im Walde; durch Krankheit, Kälte oder Hunger umgekommen, ge-