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Farben Schnfarz-Roth-Gold bildeten die Mehrhsit und wehten auch von dem Palais dksKöniqs von Sachsen. Wappen, Sinnbilder, Oenk-prucke warm überall angebracht. Ein vollständiges Bild von dem Gesammtrindrucke zu geben, ist unmöglich. Das Rathhaus war ebenso prächtig wie geschmack voll geschmückt. Am Thurme unter der Uhr prangte eine Rosette von bunten Tüchern mit dem in Nie- senbuchstaben glänzenden Rufe „Willkommen!" Herr- lich war die Ausschmückung der im Erdgeschosse befindlichen Kaufläden. Die Grimmnische Straße war so vollkommen dicht mit Flaggen und Faknen bedeckt, daß, wenn man sich am Ende ider Straße in die Milte pes Fahrwegs stellte, man die Häu ser gar nicht mehr sah, sondern nur eine Wckke prachtvoller Fahnen. Di« Prtersstraße harre sich tu gemeinschafilichem Schmucke verein.gk. An jeder Seite erhob sich eine grünumlaubte Säulmceihe mir Flaggen aut jeder einzelnen Säule. Dabei halte aber auch noch jedes einzelne Haus drr gan zen Straße seinen besonderen Schmuck. Emm nicht minder großartigen Eindruck machte die Reichs- straße, in der die größte und schönste sckwarz-rolh- goldene Fahne wehte, welche wohl jemals rxistirt hat, und woran das Gold durch Brokat vertreten war. Die Universität, di- Bürgerschule, das Mu seum, die Post ragten durch ihr stattliches Ansehen hervor. Waren auch bereits am Al. Juli einzelne fremde Tümer in Leipzig ringeln ffen, so begann doch der offizielle Empfang durch den Festausschuß erst am Sonnabend früh, den 1- August. Auf jedem der fünf Bahnböfe, auf denen Exrrazüge auf Extrazüge einander folgten, standen eine Anzahl von Ausschußmilgliedern mit je einem Musikchor bereit, die Gäste mit Bewillkommnungsgruß und Tusch zu empfangen. Eine unabsehbare Menschenmenge breuete sich in den Promenaden, den Bahnhöfen gegenüber aus. So wie ein Eisenbahnzug mit Turnern ankam, ordneten sich diese im innern Raume des Bahnhofes in Rotten und setzten sich, nachdem sie von einem Ausschugmitgliede begrüßt worden waren, unter den Klängen der Musik in Bewegung; Leipziger Turnerknaben stellten sich zu beid n Seiten des Zugrs ein und erboten sich zum Tragen des Gepäcks. Oer Zug nahm den näch sten Weg nach dem Markte, wo vor dem Rath bause von der Leipziger Turnerjugend ein gewaltiges Ouarrö gebildet war, welches durch ein aufqespann- leS Seil gesichert ward. Die Turnvorständc und Vorturner sammelten hier die Karten ein und begaben sich nach dem Ralhhaus, wo der Wohnungsausschuß seine Sitzungen hielt, «ahmen die Quartierbillete, Turnes,eichen, Eintrittskarten und Programme in Empfang und vertheilten sie an die Neuangekom menen Gäste. Die kleinen Turner dienten diesen als Führer in ihre Wohnungen. Aus allen Fenstern wehten Frauen und Mädchen den Eingehenden „Willkommen" zu, das von dem „Gut Heil" der Turner beantwortet wurde. Rasch hinter einander folgten sich die Züge; jeder sand denselben begeisterten Empfang, und gegen Abend wuchs der Jubel in's Unbeschreibliche, weil nun die Arbeiten der Vorbereitung meist vollendet waren, und deshalb die Zahl der Zuschauer sich verdoppelte und verdreifachte. Auch kamen die läng sten Eifenbahnzüge gegen Abend an: um 6 Uhr auf der baiersschen Dahn die zahlreichen Schaaren aus dem Erzgebirge und dem Voigtlande, auf d>r Magdeburger die Hannoveraner, Braunschweiger und Schleswig-Holsteiner. Diese Letzteren wurden vornehmlich m>t einem wahren Donner von „Gut Heil! Hurrah! und Willkommen!" überschüttet. Unübersehbar waren die Schaaren, welche zwischen 7 und 8 Uhr drei Exkrazüge der Berliner Bahn brachten. Einige 4si Fahnen folgt n hinter einander; Märker, Berliner, Pommern, Ostpreußen führten sie, und trotz dem ungeheuren Bedräng, der durch diese Massen enistand, ging Alles in b-ster Ordnung und rasch. Der Anblick war ein ung-m-in bunter und lebendiger. Auch die Jugenv war vertreten: kleine Burschen rührten die Trommel mit wahrer Todesverachtung; mancher Kleine hielt auch seinen Emzug auf der Schulter eines mächtigen Turners mit großem Barte, einer Jung und Alt stimmte beim Anblick der R-ichsstraße das Lied an: „Was ist des Deutschen Vaterland?" — Abends in der neunten Stunde langten die Oesterreich» an. Die Salzburger, Baiern und Tiroler mit Sträußen von Alpenblumen und Edelweiß geschmückt, waren ihnen um einige Gründen zuvorgekommen. Unter Fackelglonz und mit Musik durchzogen sie die zum großen The l illuminirten Straßen; hier erreichte' der Jubel scknen Höhepunkt; es war wirklich wun derbar, was deutsche Kehlen im Enthusiasmus leisten können. Aber nickt blos die deuksckenTurnrr, welche inner halb der Grenzen Deutschlands leben, auch aus dem Elsaß, aus London, Liverpool, Nordamerika, aus Siebenbürg m, Kurland, Finnland, aus der Schweiz und aus drr Moldau waren Vertreter der dortigen deutschen Turnerschaften erschienen. Die unüber sehbare Menge sand sich noch am Abend des 1. August im Schützenhausr zusaaunrn, mit Ausnahme