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verletzte und mit dem Untergange bedrohte Landes verfassung gegen künftige Uebergriffe sicher zu stel len. Gleichzeitig gründete er die „Neue hessische Zeitung", die, entgegen den demokratischen Be strebungen, das konstitutionelle Ministerium Eber hard vertheidigte und stützte. Oetker hat sich in dec damaligen aufgeregten Zeit um die Erhaltung der Verfassung und der in ihr verbrieften Rechte, nicht blos des Volkes, sondern auch des Fürsten die größten Verdienste erworben, die freilich ihm und Allen, die damals für ihren Fürsten kämpften und duldeten, gar übel vergolten worden sind. Auch zum Stadtrarh und Landtagsabgeordncten war Oetker in jener Zeit gewählt worden. Als nach der Wiederherstellung des Bundes tages die kurhessische Verfassung unter dem wieder berufenen Minister Haffcnpflug mit Hilfe von deutschen Bundes-Executionslruppen umgestürzt wurde, hob die „Neue hessische Zeitung" noch ein mal das Banner der Landesverfassung hoch und fiel im ehrenvollen Kampfe. Ohne Oetker und seine Zeitung, welche durch ihre Festigkeit sich bei allen Schichten der Bevölkerung eine moralische Macht errang, wie sie wohl selten ein Blatt in gleichem Maße besessen hat, wäre der ruhmvolle Kampf des kurhcssischen Volkes für seine Ver fassung kaum möglich gewesen. Die „Neue hessische Zeitung" stand Tag und Nacht auf ihrem Posten, verkündend, rächend, mahnend, ermulhigend. Oetker war mi täglichen Kampfe. Die Pressen seiner Zeitung wurden versiegelt; er ließ die Zeitung auf anderen Pressen drucken. Er selbst wurde verhaftet; aber im Gefängnisse gewann er seinen Prozeß, wahrend seine Zeitung in Gorha gedruckt wurde, bis endlich der Oberbefehlshaber Haynau mit seinem ganzen Delagerungsapparake vor der mo ral schen Kraft des gesetzlichen Widerstandes sich zurückzog. Die Zeitung erschien nun wieder in Kassel, bis sie vor den einziehenden Strafbaiern zum zwei tenmal« entfliehen wußte und nun für immer unterdrückt blieb. Oetker begab sich nach Göttin gen, wo noch einige Nummern seiner Zeitung ge druckt wurden, dann vor den nach Schleswig- Holstein rückenden Bundesexecutionstruppcn nach Braunschweig. Aber die Hassenpflug'sche Vrrfol« gunswuih gönnte dem Vertriebenen auch diesen Aufenthalt nicht; sie ließ die Verhaftung und Auslieferung Oetkers wegen „Erregung von Miß vergnügen" fordern. Die braunschweigischen Be hörden wiesen die in dieser Ferne gestellte Zumu- thunq, zwar zurück; ind.ssen war nur zu gewiß, daß für Oetker in ganz Deutschland keine Sicher heit mehr zu finden sei. Ec selbst hatte sich be reits vorher zur Herstellung keiner zerrütteten Ge sundheit nach Helgoland begeben und kehrte nun für lange Zeit nicht mehr nach Deutschland zurück. Drei Jahre hindurch hat er auf dem einsamen Felseneiland gewohnt. Aber seine Gesundheit wurde dadurch nicht gebessert. Deshalb begab er sich 1854 nach Brüssel und verlebte theils dort, theils in Gent, Ostende, Brügge, Mecheln, Paris die folgenden fünf Jahre. In dieser Zeit nationaler Trübsal und Schmach, wo so Viele verzweifelten, hat Oetker keinen Augen blick den Muth verloren. Obwohl krank, arm und hilflos, denn sein bescheidenes, mühsam erspartes Vermögen hatte er in die Zeitung gesteckt und verloren, seine Erwerbsquelle, die Advokatur, war ihm genommen, obwohl die gegen ihn erhobene Anklage von der Staatsanwaltschaft selbst wieder zurückgezogen wurde — merkten selbst die vertrau testen Freunde seinen Brieten nichts von diesen persön lichen Mißgeschicken an, die er hinter die großen Leiden des Vaterlandes zurücktreten hieß. Sein uner schütterliches Vertrauen zur Lebenskraft und Zu kunft Deutschlands konnte manchen jüngern Freund beschämen. Dabei war er, so weit es nur die Zeitverhältnisse und seine Gesundheit gestatteten, unablässig thätig für die vaterländische Sache, theils in der Presse, theils durch eine ausgebreitete Correspmidenz. Nach fast neunjähriger Abwesenheit traf Oet ker im Sommer 1859 wiederein Kassel ein. Cs hielt ihn nicht langer in der Fremde; er mußte, obwohl noch immer kränkelnd, wieder in den Kampf eintreten, welchen die Stande, auch die von Hassen pflug ockroyirten Stände, bisher freilich ohne Er folg fortqekämpft hatten, und indem sie schon fast erlegen oder doch in das Schlepptau einer eigen nützigen Junkerparkei gerathen waren. Zum aut n Glück hakte die R-gierunq selbst den Ab chluß des bundeskägigen Octroyirungswcrkes gehindert, und inzwischen hakten sich die Zeitumstände sehr ver ändert. Das gejammte Deutschland halte sich aus seiner Versumvfung wiedcrerhobcn; das in Italien gedemüthigte Oesterreich erhielt eine Ver fassung. Es galt nun die Zrikumstände zu benutzen. Oetker gründete mit seinen Freunden die „Hessische Morgen-Zeitung", die er unter den unerhörtesten Chikanen und Verfolgungen doch aufrecht erhielt. Er begann eine friedliche Agitation, die sich bald über das ganze Land verbreitet-. Er betheiligte sich bei der Stiftung des Nationalvereins und bewirkte in dessen Gründungsversammlung zu Frank-