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Friedrich Oetker, kurhessischer Landtagsabgeordueter und Herausgeber -er „Hessischen Morgen-Zeitung." (Mit Abbildung.) Durch ganz Deutschland, durch das gejammte gebildete Europa ist das rühmliche Ausharren des kurhessischen Volkes im gesetzlichen Kampfe für die durch Hassenpflug (berüchtigten Andenkens) mit Hilfe deutscher Bundesexecution gebrochene Ver fassung, so wie der endliche Sieg des verfassungs treuen hessischen Volkes bekannt. Glänzend hat sich in dem armen Kurfürstenkhum Hessen der Spruch bewahrt: „Recht muß doch Recht bleiben!" Unter Denen, die durch Lehre und Beispiel dem Volke voranleuchteten im muthig-u Ausharren auf dem Wege des Rechtes ist einer der Besten der Advokat Friedrich Oetker in Kassel. Ihm vor Allen danken die Kurhesscn die Rettung ihrer Verfassung. Friedrich Oetker, der Sohn schlichter Landlcute, ist am 9. April 1809 zu Mehren in der kurhessischen Grafschaft Schaumburg geboren. Bis zum 14. Jahre besuchte er die heimische Dorf schule; dann genoß er bis zum 17. Jahre den > Unterricht eines andern Dorfschullehrers und be suchte vom Herbst des Jahres 1825 an das Gymnasium zu Rinteln. Seine Gesundheit war schon damals nicht die beste. Oeiker hat sein gan zes Leben hindurch mit Kränklichkeit und hartnäcki ger Heiserkeit zu kämpfen gehabt. Oie schweren Kümmernisse und Verfolgungen, die er in den fünfziger Jahren ertragen mußte, haben seine kör perlichen Leiden gesteigert und oft zu ernsten Be sorgnissen Anlaß gegeben. Abcr auch über die körperlichen Leiden siegte bis jetzt noch immer die Dauerhaftigkeit des Mannes, der seinen mächtigen politischen Gegnern nicht den Gefallen lhun mochte, kampfunfähig zu werden oder gar zu sterben. Doch der Lebensgenuß blieb ihm verkümmert und man ches Glück versagt. Ec warzu einer zurückgezo genen, fast e nstedlerischen Lebensweise genöihigt und mußte mit seinen Kräften sparsam haushal ten, wollte er nicht durch Mühe und Verdruß in nie eimüdender Thäligkeil untergehen. Ostern >831 bezog Oetker die Universität Marburg, wo er die Rechte studierte. Weil seine Kränklichkeit ihm die Theilnahme an dem fröhlichen Burschenleben verbot, gab er sich vom Anfang an fl'ißiq den Studien hin, ohne doch dem gesell schaftlichen Leben sich ganz zu entzi hen. In d n Jahren 1834 und 1835 bestand er seine Prüfun gen und wurde dann Rechlspraktikant (Accesstst), zuerst am Stadtgericht und dann am Obergericht zu Kassel. Bei allem Eifer für seinen Beruf fand er doch noch immer Zeit zu fruchtbringender Be schäftigung mit den schönen Wissenschaften und zu lebhaftem Verkehr mit ausgezeichneten Schrift stellern und Dichtern. Von Wichtigkeit für bas gesellschaftliche und ästhetische Leben Kassels war die von ihm ausgegsngene Gründung der „Abend unterhaltung" oder wie das Publikum sie ihm zu Ehren nannte, der „Oetkerei", in welcher die künst lerischen, wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Be strebungen der Gebildeten zur Geltung gelangten. Hiermit hat Oetker in das damalige Leben der Haupt stadt und auch in den Aktenstaub der Juristen manche heilsame Bewegung gebracht, obwohl er damals noch nicht auf dem politischen Gebiete wirkte. Ntbenbei veröffentlichte er eine Reihe juristischer Aufsätze, welche Aufsehen erregten und den Minister Haffenpflug auf ihn aufmecksam machten. Dieser ließ ihn zu sich kommen, überhäufte ihn mit Lob, tadelte aber seine Berheiligung an dem liberalen „Rechksfreund" und forderte ihn auf, für die ministerielle Zeit- schuft zu schreiben. Oetker fragte, ob man seine Arbeiten unverändert aufnehmen werde? und gls der Minister antwortete, daß er das nicht ver sprechen könne, erklärte der junge RechkScaadidat, „dann kann ich auch nichts versprechen". Seitdem befand er sich bei dem allmächtigen Minister in Ungnade, der ihm folgenden Jahres geradezu er klärte, er werde ihn nie als Anwalt anstellen. Baid darauf aber fiel Haffenpflug selbst in aller höchste Ungnade und verließ den Staatsdienst und das Land. Aber auch der Kurfürst mochte Oeikera nicht anstellen, der sich mit einer „provisorischen" Bestal lung als Obergerichtsanwalt begnügen mußte. Erst im Jahre 1848 konnte er die definitive Anstellung erlangen. Die blos provisorische Anstellung hatte indeß nicht vermocht, Oetkec's innere Selbständig keit zu untergraben. Ec stand vielmehr, als unter d»m Ministerium Seffffec darauf hingearbeitet wurde, die Verfassung zu untergraben, tapfer mit ten im Kampfe, führte Prozesse gegen Polizeiüber- griffe und vcrtheidigte in der Presse nach Möglich keit das gute Recht der Verfassung. Mu dem Umschwünge der öffentlich»!! Ver hältnisse 1848 war Oerker's erste Sorge, die von der vormärzlichcn Regierung so oft und schwer