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warum wir uns auch noch für die Dresdner Oper interesflcen, ist, weil die Primadonna derselben eine Meißner!» ist! Demoisclle Funk ist M't uns ausgewachsen; ihre Eltern, Schwester, Bruder, Onkel, sie alle leben unter uns! Mit welcher Genugthuung lesen wir den Namen Demoselle oder Signora Funk auf den Theaterzetteln und in allen Referaten. So unter uns, wenn wir von ibr sprechen, nennen wir sie gemächlich „Funkens Fritzchen." Ihr Vater ist mein College, ist im Rath. Nun singt sie im Freischütz die Agathe. Stüimisch wurde sie gleich nach der großen Arie: „Wie nabte mir der Schlum mer^ gerufen und am Schluß mit Madame Haase als Aennchen, in ihrer Mitte den Compvnist." Der Ralhsherr war im Zuge. Wer weiß, wie lange er noch so fortgesprochen, wenn nicht daS S'gnal des Schwagers ihm die fremden Hörer entführt hätte. Zugleich meldete der Hausknecht, daß die große Frage: ob Schlitten, ob Wagen? zu Gunsten de« letzter» entschieden sei. gönnte. Er hatte auch schon etwas vom „Freischütz" und den fabelhaften Dekorationen gehört, die darin Vorkommen: Wvlfsschlucht, wülhendes Heer, eine Eule, welche die Augen verdreht, der Gott-sei-bei-uns im flammenden Kostüm. Dergleichen Dinge behag- ten ihm, und er war fest entschlossen, die Oper mit anzuseben, weun wirklich die Wunderdinge darin vorkämen, von denen man erzählte. Der Ralhsherr beantwortete höflich seine Fragen danach. Jndeß war der W>rth abgerufen worden und kam fetzt wieder mit der Meldung zurück: „Die Demoiselles Winter lassen fragen, od nicht morgen früh eine Gelegenheit nach Dresden wäre. Nun ist der Herr Inspektor Lommatzsch da mit etNem vier sitzigen Wagen; der fährt morgen auch nach Dresden in den Freischütz. — Sie wollten ja mit ihm fahren, Herr Kaltner; glauben Sie kenn, daß die Mam- sellchen noch Platz haben? Der Herr Inspektor ist vorhin in den „tiefen Laden" gegangen, wo er Geschäfte hatte, und noch nicht wieder zurück. Ich weiß nicht, ob er gerade noch dort zu treffen sein wird, wenn ich hinschicke." „Lassen Sie in GotlcS Namen den Demoiselles Winter sagen, daß sie sich halb sieben Uhr hier ein finden. Ich verantworte eS schon bei dem Herrn Inspektor," sagte Hermann, „für hübsche Mädchen wird überall Platz geschafft." — „Wenn ich das sagen lasse, kommen fie nicht. Sie sind aus guter Familie und bedingen sich darum auch ausdrücklich zwei Plätze, weil keine allein reisen will. Sie wagen das zum ersten Male, weil sie den Freischütz doch gar zu gern sehen wollen." „Die Leute sind hier wie besessen mit ihrem „Freischütz!" eiferte Zerbelli. „Das hat auch noch einen andern sehr natür lichen Grund " erklärte der Ralhsherr. „Einmal sind wir übe,Haupt der Residenz so nahe, um uns für ^Hafter finden sollten! Nur die ganze Romantik, die Alle« zu interessiren, waS in ihr vergeht. Im SoNs- mer ist auch di« Verbindung besser al« im Winter. Da haben wir außer den Posten das Marktschiff, das man doch wenigstens abwärts benutzen kann, wenn es auch aufwärts manchmal einen ganzen Tag fährt. Aber e« ist auch ein herrlicher Spazierweg von hier nach Dresden, und wenn sich keine andere Gelegenheit findet, verläßt man sich auf seme Füße. Doch unser Thealerinteiesse ist um so größer, als wir hier ein vortreffliches Liebhabertheater haben. Die Mitglieder der ersten Familien spielen darin zu einem wvhlthätige« Zweck. Wir — ich gehöre auch dazu — geben die größten klassischen Stücke. Sie sollten „Kabale und Liebe" bei uns sehen! Wir bilden unS Alle nach dem Hoftheater. Aber der dritte Grund, II. Julie und Theodore WlNter hatten eine schlaflose Nacht, weil sie an die Gefahren einer Reise nach Dresden dachten. Ja, jede der Schwestern machte der andern Vorwürfe, daß sie den kühnen Einfall gehabt, in die „Sonne" zu schicken. Und wenn nicht zuerst gehabt, warum ihn nicht der andern au-geredet? — Nicht ohne Herzpochen konnten sie daran denken, nun morgen einem fremden Herrn sich vorzustellen und vier Stunden mit ihm in einem Wagen zu fahren. Hätten sie nur wenigstens gewußt, ob der Inspektor Lommatzsch — es gab so viel Oekonvmen dieses Na mens in der Gegend — jung oder alt, grob oder artig war, ob er^allein oder mit noch Jemand fuhr. Und dann arsüßlen sic wieder nicht, welchen von die sen Gegensätzen sie wünschen und für sich vortheil- schon aus der Nennung des „Freischütz" ihnen cnt- gegenwehtc, war im Stande, sie bei der Idee aus halten zu lassen, die abenteuerliche Fahrt doch noch- zu wagen. Als sie aber in der Frühe durch die schauerlichen Gemäuer des „hohlen WegeS" und die engen Windungen des „BaderbergS" hinab zur „Sonne" eilten, da war eS ungewiß, ob sie mehr vor Angst zitterten, auf dem schneeschlüpfcichen Pfade auszugleitcn, oder vor dem Antritte einer solchen Reise! Als sie vor der Thür des Gastzimmers noch schüchtern den Hausknecht gefragt, ob der Wagen nach Dresden sie auch noch milnehmen würde? antwor tete dieser: „Der Herr Inspektor sind noch gar nicht aufgestanden, aber da ist der andere Herr!"— Durch G*