Volltext Seite (XML)
folgten sich Fesireiterei, Turner, Schützen und son stige Festrheilnebmer. Leicht und flott war besonders das Erscheinen der Jenaer Studenten in ihren Bur schenmützen und der bewaffneten Turner von Koburg. Die Verschiedenheit der unifoimirten Schützen aus aller Herrn Ländern: bald Joppe mit grünem Jäger hut, bald gestickte Kragen, dicke Epauletken und Feder hüte, boten eine angenehme Abwechselung. Gegen 70 Turner- und Schützenfabnen wurden von jungen Mädchen in weißrorben und schwarzrorhgoldenen Schärpen begleitet. Die Fahne der Schützen von Franksurt a. d. O. war alt und zerfetzt: Friedrich der Große batte sie im siebenjährigen Kriege den Russen abgcriommen und den Frankfurtern geschenkt. In Sammet gekleidete Pagen trugen eine Anzahl glänzender Humpen als Hauptgewinne. Dreißig Zieler in Scbariachröcken und Scharlachmützen trugen kleine Scheiben als Zeichen ihres Amtes. Auf dem Fesiplatze empfing Herzog Ernst im schlichten bürgerlichen Rock als Ehrenpräsident bes FestcomileS und umgeben von diesem den langen Zug. Der Herzog begrüßte die ^äste, indem er die Männer aus allen deurschen Gauen willkommen hieß, die gekommen, um männliche Kraft und Ge schicklichkeit zu beweisen, die Ehr« und den Schutz des Vaterlandes im Auge behalten und sich in diesem Gedanken die Bruderhand reichen wollten. Ein sechs fache- Hurrah war die Antwort. Dir versammelten Gesangvereine ließen eine Festhymne erschallen. Hierauf ward das Schießen eröffnet, das vier Tage dauerte. Die Scheiben hatten zum Theil pa triotische Namen: Deutschland, Barer Arndt, Leipzig, Waterloo, Herzog Ernst u.'s. w. Das Welter war günstig und die Menge der Neugierigen wogte durch die ErfrischungsbaUen um die Schießhülre zur Be- trachtung der ausgestellten Preise. Nachmittag hielten die Turner auf dem mit schönen Baumgruppen umgebenen Turnplätze ein Schauturnen, dem zahlreiche Zuschauer nicht fehlten. Schließlich bekränzten die Jungfrauen des Festzugs die Turnerfahnen. Abends war Turnerball. "Zu diesem Zweck waren Parquel und Bühne des Hef- theaters in einen einzigen großen F-stsaal verwandelt. Aber der weite Raum war zu eng für die zahlreichen Gäste. Es kostete den Festordnern Mühe, einen Lanz- raum offen zu halten. Die Damenwelt halte sich zahl reich und mit Weglassung sonst üblicher Rangbesorg nisse eingefunden Und blieb bis zum Morgen. Dasselbe Schauspiel bot am drillen Abend der SchützenbaU. Doch die Turner hatten inzwischen ihre Turnfahrt gehalten, hatten dem Turnplätze zu Schnrpfenthal «inen Besuch gemacht, am Grabe Guts Muths, deS ersten deutschen Turners, im Eichwalde bei Ibenhain eine Rede gehalten, ein Lied gesungen, eine Sammlung veranstaltet, um dort einen Denkstem zu errichten, und waren der Heimath wie der zugeeilt. Bei den Festessen im Schützensaale machte die Politik sich Luft durch zahlreiche Toaste. Anhäng lichkeit an den Herzog, Hingabe an Deutschland «hat sich kund. Die zum eidgenössischen Freischießen auf dem Boden N'cderwaldens in der Ebene zu Wyl bei StanS versammelten Schweizerschützen wurden durch ein Telegramm begrüßt und antworteten augcnblick- lich durch den Telegraphen: „Deutsche Schützenbrü der, seid einig wie wir!" Auch mir anderen Srädken, wo Schützen versammelt waren: mit Potsdam, Lauen burg, Oldenburg, Stade, Emden, Anspach, wurden telegraphische Grüße gewechselt. Zu einer von vielen Schützen besuchten politischen Versammlung hatte der patriotische Verein von Gotha aufgefordert, und man beschloß unter dem Vorsitze von Georgii aus Eßlingen über eine Anzahl von wichtigen Tagesfragen. In der Schießhütte hat sich während des ganzen Schützenfestes trotz dem starken Andrang nicht der geringste Unfall ereignet. Die 30 Scheiben hatten theils 400, tbeiis 250 Fuß Abstavd. Am ersten Lage erregte der Schütze Dörner aus Nürnberg allgemeines Aufsehen durch die Sicherheit seiner Schüsse. Er hatte in l t Stunde auS freier Hand bei 400 Fuß Abstand 2 t Treffer. Mit 44 Treffern gewann er einen schönen Pokal. Schütze de Le uw aus Arnheim hatte bei derselben Distanz aus freier Hand 39 Treffer. Auch an allen folgenden Lagen behaupteten sich de Leuw und Dörner alS erste Sieger. Ersterer hatte schließlich unter 302 Schüssen 15tmal das Ccntrum getroffen, und er trug nicht weniger a>s 120 Geldpreise und 9 Gabenpreise davon. Im Ganzen waren gegen 1000 Schützen vor die Scheiben getreten und hatten etwa 50,000 Schüsse gethan. Nachdem die Männer der verschiedensten deut- scheu Länder sich vier Tage lang kennen gelernt, mit einander geschossen, geschmaußt, getanzt und die nahe liegenden deutschen Fragen besprochen hatten, ward die Versammlung abgehalten, welche unter dem Vorsitze des Herzogs Ernst über die Wiederholung des Festes und über den nähern Zusammenschluß der deutschen Schüßen beschließen sollte. Hier ward nach kurzer Verhandlung in allgemeinerer Uebereinstimmung der deutsche Schützenbund geschlossen. Ein Ausschuß wurde ernannt, welcher die Wiederkehr des allgemeinen deutschen Schützenfestes vorbereiten und