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welche schnell das bedeutendste Organ der freisinnigen Partei in ganz Italien wurde. Gegen das Ende des Jahres 1847 richtete Ca vour in Verbindung mit anderen italienischen Vater« landsfreunden eine Petition an den König von Nea pel, dec noch immer gegen alle Rathschläge für Ver besserungen taub war, und flehte ihn an, sich mit „der Politik der Verzeihung, Civilisation und christlichen Liebe" in Einklang zu setzen. Ferdinand blieb taub gegen diese Ermahnungen. Erst als die Warnungen auf vsrhängnißvolle Weise durch den sici- lianischen Aufstand in Erfüllung gingen, verlieh er seinen Unterthanen e ne Verfassung — um sic ihnen bald wieder zu nehmen und an deren Stelle den eisernsten Despotismus zu setzen. Auch Karl Albert von Sardinien und der Gcoßherzog von ToSkana gaben ihren Ländern Verfassungen. Während aber noch die dadurch be« dingten Veränderungen in der Verwaltung nicht voll endet waren, brach die französische Februarrevolution aus. Die darauf folgende Erhebung Wiens gab daS Zeichen zu dem fünftägigen Kampfe in Mailand und der Vertreibung der Oesterreicher aus d-r Hauptstadt der Lombardei. Die Lombarden forderten Karl Albert auf, gememschaftliche Sache mit ihnen zu machen - gegen Oesterreich. Sardinien war nicht vorbereitet auf den Krieg. Aber zu zögern oder die Einladung der Lombarden abzuweisen, war nicht an der Zeit. Karl Albert nahm den Kampf gegen Oesterreich auf und — unterlag. Während dem sehen wir zuerst Cavour in par lamentarischer Thätigkeit. Die Stadt Turin hatte ihn als einen ihrer Vertreter in das nord-taliemsche Parlament gewäblt. Hier zeichnete er sich als ge wandter Redner und als tzmanzmann ohne Gleichen aus. Dennoch verlor er bei der Neuwahl seinen Sitz in der Depulirtenkammer und sah sein öffent liches Wirtin wiederum auf die rhätigste Mitarbei terschaft am „Risorgimento" beschränkt. Nachdem die Niederlage von Novara die Hoff« nungen der Italiener auf Jahre hinaus vernichtet und die Hilfsquellen Piemonts erschöpft hatte, begann die schwierige Aufgabe, die Unabhängigkeit Sardinien trotz Oesterieichs erneutem Uebergewicht und trotz der Ungunst der fremden Mächte aufrecht zu erba ten und den Gedanken einer Einigung und Befreiung Italiens unter Führung des Königs von Sardinien nicht unt-rgehen zu lassen. Karl Albert legte die Krone nieder. Sein Sohn und Nachfolger Viktor Emanuel erreichte 10 Jahre später da« große Ziel unter dem thätigsten und ge schicktesten Beistände Cavours, der im Gommer 1849 wieder in die Depulirtenkammer gewählt worden war. Zunächst wirkte Cavour dahin, der neuen sardinische« Regierung die Zuneigung des italienischen Volkes durch Gewährung möglichster Freiheit wiederzuge winnen. Sowohl als Deputirter wie als Minister — ec war im Oktober 1850 zum Minister des Handels und des Ackerbaues ernannt worden — wirkte er für dieses Ziel. Im Frübjahr 185 t über nahm er auch noch- das Finanzministerium. In die» sen Aemtern offenbarte sich bald seine merkwürdige Thätigkeit und sein großes Verwaltungstalenk. Er schloß vortbeilkafte Handelsverträge, legte den Grund zur Handelsfreiheit, rief neue Eisenbahnen inS Leben, ermunterte Fabriken und Manufakturen und stellte das Vertrauen so weit her, daß er noch in demselben Jahre eine Anleihe unter vortheilhaften Bedingungen in England abschließen konnte. Schnell war Cavour die eigentliche Seele des Ministeriums geworden. — Dennoch mußte er «852 aus demselben treten, weil er die Mehrheit der Deputirten, unter denen damals noch die Conservativen das Uebergewicht hatten, verlor. Cavour benutzte die ihm unfreiwillig gewordene Muße zu einer Reise nach England und Frankreich. Bald aber trat er wieder an die Spitze der Geschäfte seines Vaterlandes. Die Schwierigkeiten der Unter handlung mit Rom hallen daS Ministerium gestürzt. Cavour bildete ein neues und übernahm darin daS Finanzministerium und die Ministerpräsidentschaft. Welche rastlose Thätigkeit ,er nun entwickelte, mag man darnach bcurthei'en, daß er em Laufe eines einzigen Jahres nickt weniger al« 142 Gesetzentwürfe einbrachte, welche Gemeindeordnung, Armee, Finanzen und öffentliche Arbeiten betrafen. Ungeheure Sum men wurden auf Herstellung von Eisenbahnen und Telegraphen verwandt, und der Verkehr nahm eine« Aufschwung, wie man ibn vorher gar nickt für möglich gehalten hatte. Dabei ließ Cavour die na tionale Politik keineswegs aus dem Auge und mackte sie mit Gerechtigkeit und Würdt geltend, als die österreichische Regierung nach dem verunglückten Mai länder Aufstand, Februar «853, plötzlich die Güter der in Sardinien wohnenden Lombarden unter Se questration stellte. Als alle Gegenvorstellungen der sardinischen Regierung bei der österreichischen nichts fruchteten, brach erstere den diplomatischen Verkehr mit letzterer ab. Auf Cavour« Antrag bewilligte da« sardinische Parlament bedeutende Summen zur Unterstützung der durch Oesterreich Plötzlich ihrer Ein» künste beraubten Lombarde». Im Jahre »855 wußte Cavour das bi« dahin unbedeutende Sardinien geschickt in de« Rach der europäischen Großmächte einzuschieben. Er schieß